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Podcast

Episode

23

Zwischen New Normal, New Work und Nachhaltigkeit

HR-Trends 2022 - neue Herausforderungen für HR

Was sind die Themen, mit denen sich HR dieses Jahr beschäftigen sollte? Nach 2 Jahren Pandemie, Digitalisierungsschub und immer wichtiger werdenden Nachhaltigkeitsfragen? Ein Gespräch mit HR HEUTE Redakteurin Bianca Lampart.


HR kann mehr – Folge 23 – Neue Herausforderungen für HR

Dominik Josten: Hallo und herzlich willkommen im HR Heute Podcast. Heute geht es um die HR-Trends 2022. Was wird besonders wichtig? Welche Herausforderungen stehen dieses Jahr an und wo sollte man dabei sein, wenn man im Wettbewerb nicht zurückfallen will? Dafür habe ich mir heute eine Kollegin eingeladen, die sich genau mit dieser Frage beschäftigt hat und den diesjährigen HR-Trends-Artikel für HR Heute verfasst hat. Was macht einen Trend zu einem Trend? Wieso sollte es einen als Unternehmen nicht kaltlassen, welche Themen die Personalwelt beschäftigen und was unterscheidet eigentlich einen Trend von irgendeiner beliebigen Neuerung oder auch einem Langfristthema? Über das und mehr werden wir uns heute unterhalten. Mein heutiger Gast ist seit 17 Jahren im HR-Umfeld unterwegs und hat schon diverse Positionen in verschiedenen Unternehmen bekleidet. Im Herbst letzten Jahres hat sie einen gewagten Schritt getan. Raus aus dem operativen Personalwesen, raus aus dem Alltagsgeschäft, raus aus der operativen Verantwortung und rein in ein neues Abenteuer als HR-Redakteurin bei HR Heute. Damit herzlich willkommen an Bianca Lampart. Hallo Bianca, schön, dass du heute hier bist.

Bianca Lampart: Hallo Dominik. Ich freue mich, dass ich da sein darf.

Dominik Josten: Du absolut, die Freude ist ganz meiner- und unsererseits. Fangen wir doch vielleicht kurz bei dir an, weil ich finde das immer noch einen recht spannenden Schritt, was du da gemacht hast und auch ungewöhnlich vielleicht und das interessiert ja vielleicht den ein oder anderen Personaler da draußen, der vielleicht sagt, er hat keine Lust mehr, er will raus aus dem Personalwesen.

Wie wird man HR-Redakteur?

Dominik Josten: Wie kamst du dazu, dass du gesagt hast „das Tagesgeschäft ist nicht mehr so meins, aber ich liebe dieses Thema und ich habe Leidenschaft für HR und will gerne meine Erfahrung in die Vermittlung von Wissen und Ideen in Texten anwenden“. Wie kam es zu diesem Prozess? Kannst du das irgendwo dran festmachen?

Bianca Lampart: Ja genau, du hast es quasi jetzt schon angedeutet. Ich kam an einen Punkt, wo ich dachte „ich kann jetzt auch noch die 500. Rekrutierung selbst machen, aber wie wäre es, wenn ich einfach mal die Perspektive ändere?“ und was du schon sagtest, ich bin Vollblut-Personalerin und brenne für HR-Themen und ich finde HR spielt eine so entscheidende Rolle im Unternehmen und es ist eigentlich noch gar nicht alles über HR gesagt. Da ich mich nach wie vor für innovative und kreative Personalarbeit begeistere und es toll finde, Dinge zu hinterfragen und zu optimieren, Trends aufzuspüren, darüber sprechen wir ja heute, da ist mein Wunsch halt entstanden meine HR-Expertise einzubringen und zur Diskussion zu stellen und auf diese Art und Weise etwas zu HR beizutragen.

Dominik Josten: Ich finde es großartig, weil ich finde davon braucht es noch viel mehr. Ich habe ein bisschen den Eindruck, über HR fühlen sich manchmal ganz viele Leute berufen zu schreiben und schreiben dann darüber und deswegen gibt es da draußen sehr viele Texte, denen die echte Kompetenz fehlt und von daher sind wir auch mega happy, dich zu haben und ich glaube das macht auch wirklich einen riesen Unterschied mit deiner Erfahrung. Da steckt eben was drin. Du weißt, wovon du sprichst. Deswegen freue ich mich, dass du da bist.

Bianca Lampart: Vielen, vielen Dank.

Dominik Josten: Kommen wir doch dann zum heutigen Thema. Einer deiner ersten großen Texte für HR Heute waren ja eben so die HR-Trends 2022. Es ist ja jedes Jahr ein großes Thema „Was wird dieses Jahr besonders? Was treibt HR gerade dieses Jahr um?“.

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Wie wurden Trends ausgewählt?

Dominik Josten: Vielleicht kannst du erstmal berichten, wie entsteht eigentlich so ein Artikel? Es ist ja jetzt nicht so, dass du die ersten paar Themen aufschreibst, die dir gerade einfallen, sondern da steckt ja schon ein gewisser Prozess und viele Gedanken auch drin, was so die Top-5-Themen sind, oder?

Bianca Lampart: Ja absolut. Es geht ja darum, wirklich herauszufinden und zu identifizieren, was sind Themen, die sich abzeichnen, die eine Entwicklung darstellen und die wahrscheinlich auch längerfristig und nachhaltig etwas bewirken und verändern. Bei der Erstellung eines solchen Artikels ist Teamwork das A und O. Wir haben natürlich erstmal unser eigenes Team intern befragt, d. h. wir haben mit unseren eigenen Personalern gesprochen, die ja tagtäglich mit Mitarbeitenden und Bewerbenden im Austausch stehen und natürlich auch unsere Berater, die halt im engen Kontakt mit der Personalwelt stehen und natürlich habe ich auch viel recherchiert und mir den HR-Markt und die HR-Welt angeschaut.

Dann habe ich tatsächlich einen ersten Aufschlag gemacht, einen ersten Draft und dann ging es quasi ans Eingemachte. Dann haben wir im kleinen Team zusammen diskutiert, wo jeder seine Erfahrungen, seine Beobachtungen, seine Sichtweisen einbringen konnte, um halt so die Themen weiter einzugrenzen und zu konkretisieren. Wir haben uns dann natürlich auch angeschaut „was waren denn eigentlich die Trends des letzten Jahres?“, weil die Trends verschwinden ja nicht einfach so. Aber uns war es halt wichtig herauszufinden, was kommt denn noch dazu? Nun ging es halt Ping-Pong hin und her und ich muss sagen, wir im Team waren unsere schärfsten Kritiker und haben am Ende des Tages etwas erarbeitet, wo wir dann alle voll dahinter stehen konnten.

Dominik Josten: Dann lass uns doch mal konkret über die Trends reden, die du letztlich als die Themen des Jahres ausgewählt hast.

Trend 1 – Remote Work als Gefahr für Unternehmenskultur

Dominik Josten: Das erste Thema war ja Remote Work und dessen potentielle Gefahr für die Unternehmenskultur. Hier würde mich zunächst mal interessieren, wie siehst du erstmal so generell das Thema? Wie hat es sich entwickelt in den letzten Jahren? Die Arbeit von woanders und wie würdest du es bewerten in Sachen Pro und Contra?

Bianca Lampart: Also Remote Work kam ja quasi über Nacht in die Unternehmen bedingt durch die Pandemie, was ja tatsächlich einer der Maßnahmen zur Pandemieeindämmung war. Vorher war es ja eher so „man kann man als Homeoffice machen“, das kenne ich auch noch so, aber das machen wir vor vorgehaltener Hand, das sagen wir mal nicht so laut und auf einmal mit der Pandemie wurde es zu einem breiten, eingesetzten Tool, um die Pandemie einzudämmen. In dem Zustand waren wir dann ja zwei Jahre und somit hat ja jeder irgendwo seine eigenen Erfahrungen mit dem Homeoffice gemacht und da haben sich dann halt im Laufe der Zeit Vor- und Nachteile herauskristallisiert, sowohl für Mitarbeitende als auch für Unternehmen.

Viele Mitarbeitende sehen es als eine Möglichkeit selbstbestimmter zu arbeiten, mehr Flexibilität zu haben, vielleicht auch zu einer besseren Work-Life-Balance zu kommen und auch Fahrtzeit und, aktuell ja großes Thema, Fahrtkosten zu sparen. Gleichzeitig wird aber Arbeit- und Privatleben vielleicht stärker vermischt. Man sitzt tatsächlich ja mehr oder weniger isoliert zu Hause und vielleicht arbeitet man auch nicht so effizient und schiebt Dinge vielleicht vor sich her. Bei Unternehmen ist es ähnlich. Es ist eine Maßnahme, um ihre eigene Arbeitgeberattraktivität zu steigern und auch Kosten einsparen zu können durch den Wegfall von Bürofläche bspw. Andererseits erkennen sie aber auch, dass es schwieriger wird gut zu kommunizieren innerhalb des Unternehmens, auch abteilungsübergreifend und auch, dass die Produktivität leiden kann. Wo Licht ist, ist auch Schatten.

Dominik Josten: Absolut. Ich glaube, was du eben auch gesagt hast, mit der Work-Life-Balance oder der Schwierigkeit zu arbeiten, ich glaube alle, die Kinder haben und im Zweifel noch Homeschooling machen mussten, können da glaube ich ein Lied von singen. Große Bewunderung für alle, die es trotzdem irgendwie geschafft, beides hinzubekommen. Jetzt dreht sich ja dein Trend ja gar nicht um Remote Work als solches, sondern im Prinzip um die etwas aufkommende Gefahr von Unternehmenskulturkonflikten, wenn ich das so richtig interpretiere. Wieso drohen die gerade jetzt vielleicht und wie kam es auch zu dieser Einschätzung? Ich glaube das war auch ein Ergebnis einer Studie, die ihr gemacht habt, richtig?

Bianca Lampart: Genau, weil wir tatsächlich jetzt an einem Punkt stehen, wo die Frage aufkommt „ist Homeoffice gekommen um zu bleiben?“, also auch nach der Pandemie. Was du gerade schon sagtest, wir haben zusammen mit dem Magazin „Personalwirtschaft“ im letzten Jahr eine Studie mit dem Namen hybride Arbeitswelten durchgeführt. Dort haben wir 208 Personalmanagerinnen und -manager zu der Zukunft von HR befragt und da ging es nicht nur um Homeoffice und Remote Work, aber auch. Dort haben wir die Personaler und Personalerinnen gefragt „was glaubt ihr denn, was sind die Auswirkungen von Homework?“.

Da kamen dann solche Antworten, sie erwarten eine mangelnde Wertschätzung, fehlende Möglichkeiten zum Netzwerken, Beeinträchtigung der Innovationsfähigkeit insgesamt und ein Aspekt, da sind wir dann tatsächlich hellhörig geworden, nämlich, dass sie Spannung innerhalb der Belegschaft erwarten. Und zwar, wenn ich mich erinnere, das Ergebnis war, dass vier von fünf Befragten Spannungen erwarten wegen der unterschiedlichen Präsenzregelung, dass jeder aber vierte sogar starke Spannungen erwartet. Da dachten wir „da müssen wir mal genauer hinschauen“. Gleichzeitig zeichnet sich aber der Trend ab, dass Homeoffice auch nach der Pandemie im Rahmen von 40-60 Prozent der Arbeitszeit bestehen bleibt. Auch die Politik diskutiert es ja zurzeit. Wird es ein Erörterungsrecht für Homeoffice geben oder vielleicht sogar einen Rechtsanspruch? Fakt ist also, wenn Homeoffice nicht mehr nur ein pandemiebedingtes Phänomen ist, sondern zum festen Bestandteil der Unternehmensphilosophie wird, dann tun sich ja tatsächlich insbesondere für HR neue Fragestellungen auf.

Dominik Josten: Ich glaube das ist absolut nachvollziehbar und wenn man so hört „40 bis 60 Prozent“, das sind ja meistens nicht über alle Stellen, sondern es gibt ja diverse, die es nicht machen können und manch einer dann schon. Dann kann ich es schon nachvollziehen, dass es zu Spannungen führen würde. Ich würde mich wahrscheinlich auch ungerecht behandelt fühlen, wenn ich jeden Tag ins Büro fahren müsste und alle anderen machen es entspannt von zu Hause. Aber um da nochmal nachzufragen. Ich kann nachvollziehen, wenn der aktuelle Grund, die Pandemie, etwas nachlässt, aber dann viele halt trotzdem weitermachen, kann es genau dazu machen. Was können Personalerinnen und Personaler daraus an Aufgaben für dieses Jahr ableiten?

Bianca Lampart: Ja tatsächlich müssen sie sich genauer anschauen „kommt es zu dieser Kluft? Kommt es zu dieser 2-Klassen-Belegschaft zwischen Blue- und White-Color-Workern oder auch zwischen denen, die im Homeoffice arbeiten möchten, weil sie es vielleicht lieber möchten, weil sie einen langen Anfahrtsweg haben oder weil sie einfach auch noch wegen der Pandemie vorsichtiger sind und den Mitarbeitern, die sich freuen, endlich ins Office kommen zu können?“ und dann schauen „führt das in irgendeiner Form zu einer Spaltung der Unternehmenskultur? Was passiert überhaupt mit unserer Unternehmenskultur?“ und wie können Werte weiterhin gelebt und aufrecht erhalten bleiben, wenn es zu einem stärkeren digitalen Miteinander kommt. Das gleiche zum Thema Mitarbeiterbindung. Wie kann ein Mitarbeiter seine Mitarbeiter halten, wenn sie vermehrt vielleicht nach wie vor im Homeoffice sitzen und sich da vielleicht auch fragen „warum arbeite ich für diesen Arbeitgeber? Was macht der für mich noch besonders?“, weil z. B. viele attraktive Angebote wie eine leckere Kantine fällt ja viel weniger ins Gewicht, wenn die Mitarbeitenden verstärkt von zu Hause aus arbeiten.

Dominik Josten: Absolut und der soziale Kontakt ist ja auch wichtig.

Bianca Lampart: Genau.

Dominik Josten: Kann ich absolut nachvollziehen und ist glaube ich ein wichtiger Hinweis von dir, dass man sich als Personaler dem dieses Jahr aufgrund der Situation annehmen muss. Da wir ja insgesamt fünf Themen haben, lass uns direkt zum zweiten auch übergehen, auch wenn man über jedes davon noch länger reden könnte.

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Trend 2 – Corporate Purpose

Dominik Josten: Der zweite Trend ist Corporate Purpose, also das Warum eines Unternehmens. Gefühlt ein Thema, was in der letzten Zeit immer mal wieder gärt, aber zuletzt doch intensiver und dranbleibender diskutiert wird. Was hat dich am Ende bewogen es dieses Jahr mit auf die Liste der Themen des Jahres zu heben?

Bianca Lampart: Tatsächlich passt es ja auch zu dem, was wir gerade besprochen haben. Wenn die Mitarbeiter zu Hause im Homeoffice hocken, stellt sich ja der ein oder andere die Frage „warum arbeite ich eigentlich für diesen Arbeitgeber?“ und tatsächlich muss man ja sagen, dass die Pandemie insgesamt zu einem Umdenken und zu einer Werteverschiebung geführt hat. Karriere, Geld sind nicht mehr alleine wichtig, die Leute schauen auf eine gesunde Work-Life-Balance, auch gesellschaftlich-moralische Themen werden wichtiger und dann ist man ja quasi schon bei dem Punkt Corporate Purpose in einer gewissen Art und Weise. Gerade wenn man sich die jüngeren Generationen anschaut, Y und Z, die hinterfragen tatsächlich ihr eigenes Tun und auch das des Arbeitgebers und wünschen sich bei ihrer eigenen Arbeit eine Sinnhaftigkeit, aber auch bei ihrem Arbeitgeber. Die schauen stärker hinter die Kulissen und hinterfragen „was tun wir denn gerade eigentlich?“, d. h. so oberflächliche Floskeln reichen nicht mehr und somit rückt der Corporate Purpose für uns viel stärker in den Fokus.

Dominik Josten: Kann ich nachvollziehen, vielleicht macht es Sinn, nochmal genauer zu sagen, was ist genau dieser Corporate Purpose? Das ist ja mehr als ein Mission Statement und wieso betrifft er HR aus deiner Sicht?

Bianca Lampart: Ja Corporate Purpose, im Englischen klingt es schon sehr schön, die Übersetzung ist tatsächlich gar nicht so einfach, weil es ist tatsächlich eine Mischung aus Zweck, Sinn, Ziel, Funktion des Unternehmens und eigentlich eine Art höhere Bestimmung oder Identität. Quasi steht dahinter die Frage „was treibt Unternehmen an, unabhängig von rein betriebswirtschaftlichen Zielen wie Umsatz, Wachstum oder Gewinn?“.

Dominik Josten: Also was dich als Leidenschaft antreibt, Personal besser zu machen, was ist da quasi der Antrieb des Gebildes des Unternehmens.

Bianca Lampart: Genau, wenn man jetzt zu HR kommt, wir stehen vor der Situation des zunehmenden Fachkräftemangels und des demografischen Wandels. Das wird für HR tatsächlich zu einer Mammutaufgabe und in diesem Zusammenhang kann der Corporate Purpose tatsächlich eine Maßnahme, also nicht die alleinige, nicht das Allheilmittel werden, aber eine Maßnahme zur Gewinnung von Talenten und auch zur langfristigen Bindung von Mitarbeitenden sein. Aber, ich glaube das ist wichtig zu sagen, um wirklich zu punkten auf dem Bewerbermarkt und dem Unternehmen, müssen es Unternehmen wirklich ehrlich meinen. Also Corporate Purpose muss authentisch, greifbar und gesellschaftlich relevant sein. Also nur irgendwie mitmachen, um hip zu sein, ist tatsächlich out.

Dominik Josten: Okay, mehr als Werbeslogans muss es sein?

Bianca Lampart: Genau.

Dominik Josten: Nur eine Anekdote, ich kann es übrigens auch bestätigen, dass das auch mehr nachgefragt wird. In den letzten Jahren wurden wir in Bewerbungsgesprächen konkreter mal gefragt, mal ob wir mit Waffenherstellern zusammenarbeiten oder eben allgemein wie wir das Thema Nachhaltigkeit in den Alltag einstreuen. Man merkt wirklich, dass es zunehmend Thema wird. Du hast es schon angerissen in dem Artikel, auch wenn man nicht zu allen fünf Themen den kompletten Ratgeber in einen Artikel packen kann, aber was kann HR beisteuern bei dem Thema? Welche Fragen sollte sich HR stellen?

Bianca Lampart: Ich denke HR wird auf jeden Fall gefragt sein bei der Identifikation und Definition des Corporate Purpose. Das können Fragen sein wie „was ist das Warum unserer Organisation? Welche Rollen spielen Ethik und Werte eigentlich bei uns? Was ist wirklich der innere Antrieb unseres Unternehmens?“ oder auch „auf welche sozialen, ökologischen oder gesellschaftlichen Themen dieser Zeit gibt unsere Organisation wirklich eine Antwort?“. Corporate Purpose ist mehr als rein soziales Engagement oder Corporate Social Responsibility.

Dominik Josten: Ich glaube das kann jeder nachvollziehen. Es ist aber auch eine schwierige Frage, weil die stellt sich natürlich bei vielen anderen Unternehmen. Bei einer Recyclingfirma ist es noch nachvollziehbar, aber bei anderen Unternehmen würde mir auch nicht spontan einfallen, ob die so etwas haben wie einen echten Purpose neben Geld verdienen.

Trend 3 – Nachhaltigkeit (auch) im HR

Dominik Josten: Du hast aber gerade ein wichtiges Stichwort schon gesagt, was uns zu unserem dritten Trendthema bringt, du hast das Thema gesellschaftliche Relevanz angesprochen. Ein Thema, was ja vor Corona die Schlagzeilen bestimmt hat, aber nach wie vor mehr Menschen weit oben auf der Agenda sehen, ist eben das Thema Nachhaltigkeit. Damit zu werben, ist ja gegenüber den Endkunden schon seit ein paar Jahren groß in Mode. Du sagst aber, du siehst schon zunehmend, dass das immer mehr im HR ankommt und eben nicht nur als Werbefläche. Wieso siehst du das gerade jetzt vielleicht als stärkeren Trend für HR?

Bianca Lampart: Es reiht sich tatsächlich in unsere bisherige Diskussion ein, weil auch das ist ein Thema, das in den Ring geworfen werden muss, wenn sich Mitarbeitende fragen, ob sie mit dem Tun und Handeln ihres Arbeitgebers sich wohlfühlen. Was du sagtest, das Klimabewusstsein ist nicht neu, aber es kommt immer stärker in der öffentlichen Wahrnehmung an und wenn man sich z. B. die Fridays for Future-Schülerinnen und Schüler von heute anschaut, das sind natürlich die Mitarbeitenden von morgen. Somit hält das Thema insgesamt einen breiteren Einzug in die Gesellschaft.

Dominik Josten: Was für Fragestellungen siehst du denn dann so konkret auf HR zukommen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht?

Bianca Lampart: Du sagtest es ja, also es wird spannende Fragen im Bewerbungsgespräch von Bewerbenden geben, aber einfach auch im Arbeitsalltag wird HR unter Umständen gefordert sein, bspw. wenn es um Fragen geht „wie sieht denn der CO2-Footprint unseres Unternehmens aus?“ oder „welche Angaben kann HR zum CO2-Verbrauch ihrer Mitarbeitenden bspw. auf Arbeitswegen machen?“. Eine andere Frage wird sein „welche alternativen Mobilitätsangebote gibt es?“, z. B. ein Jobticket, Jobräder. Dann wird man sich den Fahrzeugpool anschauen. Wie viele Elektroautos gibt es? Werden Extraanreize geboten, z. B. Zeitguthaben, wenn man auf andere zeitintensivere Transportmittel wie Bus und Bahn umsteigt?

Dominik Josten: Gute Idee eigentlich. Das ist ja auch so der Klassiker, wenn man nur zwei Stunden Reisezeit angerechnet bekommt, dann hat natürlich keiner eine Motivation im Zweifel viel im Zug zu sitzen.

Bianca Lampart: Genau.

Dominik Josten: Okay, schöne Beispiele. Das kann man gut nachvollziehen. Wie siehst du allgemein die Rolle von HR bei dem Ganzen? Manche der Themen sind natürlich jetzt auch, vielleicht im Bereich Fuhrpark, eher strategischer Art. Was kann, muss getan werden aus deiner Sicht? Worum muss sich die Personalerin dieses Jahr konkreter drum kümmern?

Bianca Lampart: Ich denke HR wird sich den Fragen ihrer Stakeholder dennoch stellen müssen und ihren Nachhaltigkeitsanforderungen und das kann in Form von CO2-Berechnung aussehen, Reportingstatistiken, KPIs. Wichtig ist, dass HR mitwirkt tatsächlich kreative, ernstgemeinte und authentische Angebote zum Umweltschutz zu entwickeln und auch dazu zu stehen, wenn vielleicht damit höhere Kosten verbunden sind oder auch organisatorische Anpassungen erforderlich werden. Ich glaube HR muss sich darauf einstellen, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz Teil der Unternehmenskultur wird.

Dominik Josten: Ja und da als Enabler, als Treiber sich einmischen, auch wenn es vielleicht um die Meetings anderer Abteilungen geht, was Werte vorleben angeht.

Bianca Lampart: Genau.

Dominik Josten: Absolut nachvollziehbar. Übrigens an der Stelle ein Hinweis an die Zuhörer, es gibt natürlich noch weitere Definitionen von Nachhaltigkeit, soziale Nachhaltigkeit, darum geht es aber heute nicht. Das machen wir ein anderes Mal. Ist ja auch ein spannendes Thema. Hier geht es konkret um das Bewusstsein, was auch von der Fridays for Future-Bewegung getrieben wird und dadurch ein bisschen in die Gesellschaft gekommen ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, oder?

Bianca Lampart: Ja, genau.

Trend 4 – IT-Kompetenz im HR

Dominik Josten: Wir haben gerade schon neue Aufgaben von HR angesprochen. Vielleicht jetzt ein härterer Themenwechsel zum Trend Nr. 4, aber trotzdem nicht weniger wichtig. Es geht um IT-Kompetenz im HR. Damit ist nicht nur der Umgang mit Excel und Word gemeint, obwohl schon der bei vielen Personalern und Personalerinnen „ausbaufähig“ ist. Hier geht es aber noch um mehr als das. So das große Gesamtbild beim Thema Digitalisierung. Wieso siehst du hier besonders akuten Bedarf für HR?

Bianca Lampart: Ja genau. Wir haben uns wirklich mal angeschaut „was tut sich intern bei HR?“ und ich glaube bei allen ist angekommen „Digitalisierung ist ein Wettbewerbsfaktor“. Und wir haben es auch in der Pandemie gesehen, über Nacht galt es Fragen zu beantworten wie „wie erhalte ich Zugang zu der Personalakte, die im Büro hängt, ich aber zu Hause bin? Wie funktioniert ein Remote Zugang? Wie können Mitarbeiter, die zu Hause sind, ihre Zeit erfassen oder Urlaubsanträge stellen, wenn der Vorgesetzte nicht nebenan im Büro sitzt und das gerade unterschreiben kann?“. Tatsächlich haben wir auch in unserer HR-Hybrid-Studie eine Befragung dazu gemacht und die hat ergeben, dass 67 Prozent der Befragten sagten „Digitalisierung und Automatisierung von HR-Prozessen wird wichtig, das wird ein Schwerpunkt“ und auch hier ist ein gewisser Kompetenzaufbau nötig. Was man auch beobachtet, ist, dass HR-Lösungen aus der Cloud z. B. sich durchsetzen werden gegen reine On-Premise-Lösungen oder es kommt zu Misch-Lösungen und dass die Cloudservices vor allem die Nase vorne haben bei zukunftsorientierten Themen wie Talentmanagement, Nachfolgeplanung, Recruiting. Tatsächlich wird es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit sein bis auch Zeitwirtschaft- und Entgeltprozesse endgültig in die Cloudlösung einziehen.

Dominik Josten: Ich glaube HR muss sich auch stärker damit beschäftigen, das nicht nur als Konsum von der IT-Abteilung zu bekommen, sondern eben auch selber zu verstehen, was da geht und Prozesse so zu gestalten. Aber du hast ja selber auch etwas dazu geschrieben, was diese Entwicklung von HR für den Alltag eigentlich bedeutet bzw. was für Herausforderungen siehst du konkret auf HR zukommen?

Bianca Lampart: Also HR- und IT-Abteilungen werden sich definitiv noch enger verzahnen müssen als bisher und da geht es u. a. um die Klärung von Zuständigkeiten. Bspw. wer ist zuständig für Systemanpassung? Administration? Die Nutzerbetreuung? Also klassische Konfigurationsaufgaben etc. Daneben wird es aber im HR-Bereich auch administrative Tätigkeiten geben, also wie z. B. das Tracken von nicht abgeschlossenen Mitarbeiterjahresgesprächen, das Anlegen neuer Bewertungsformulare oder die Pflege von Lernpfaden. Dafür, muss man ja sagen, ist ja kein IT-Studium erforderlich, aber trotzdem braucht man dafür ja eine gewisse IT-Affinität und IT-Sicherheit.

Dominik Josten: Das absolut. Man sollte wissen, was man da tut, bevor man auf das Knöpfchen drückt.

Bianca Lampart: Genau. Was man tatsächlich beobachten kann, ist, dass HR hier mehr und mehr zur Treiberin wird und bei diesen Themen auch Autonomie einfordert. Das heißt natürlich gleichzeitig auch, dass HR die entsprechenden Voraussetzungen schaffen muss. Dann ist man bei der Frage „benötigt man für die Aufgaben eigentlich einen IT-ler, der sich ein bisschen mit Personalprozessen auskennt oder braucht man einen HR-ler, der sich auch ein bisschen mit IT auskennt?“ und was genau ist eigentlich „ein bisschen“?

Dominik Josten: Sehr valide Frage. Gefühlt würde ich sagen wahrscheinlich letzteres. Da hat man mehr davon. Prozess-Knowhow und ein bisschen IT lernen. Aber ich glaube das ist nicht unbedingt, ich weiß nicht, wie du es in den 17 Jahren erlebt hast, die Lieblingsdisziplin für die meisten Personaler da draußen.

Bianca Lampart: Nein.

Dominik Josten: Wie IT-Prozessdesign, Berechtigungswesen oder solche Sachen.

Trend 5 – Culture-Clash Selbstorganisation

Dominik Josten: Jetzt sind wir zeitlich schon etwas fortgeschritten, aber wollen natürlich trotzdem auch den letzten Punkt nicht unter den Tisch fallen lassen. Da geht es auch um ein anderes Thema und das zeigt ja vielleicht auch wie vielfältig HR ist. Es geht um ein Thema, das in den letzten ein, zwei Jahren, vielleicht auch hier und da ein bisschen länger, häufiger mal diskutiert wurde, teilweise auch mit viel Aufmerksamkeit pilotiert wurde und wo wir auch schon vor nicht allzu langer Zeit verschiedene Artikel auf HR Heute hatten und auch hier im Podcast, es geht um das Thema Selbstorganisation oder selbstorganisierte Teams. Hier hast du ja im Vorgespräch schon mal erzählt, dass es da durchaus intern kontroverse Meinungen zu gab, ob das jetzt ein Trend ist oder wie es überhaupt um das Thema steht und ob das der Heilsbringer ist oder nicht und ich glaube so gefühlt fällt es hier ähnlich wie bei dem Remote Work Thema vorhin. Es geht nicht so sehr um Selbstorganisation selber, sondern die potentiellen Gefahren, Herausforderungen der Ernüchterung nach diesen ersten Pilotphasen, wenn ich das richtig verstanden habe.

Bianca Lampart: Ja total. Im Grunde geht es wirklich darum „besteht die Selbstorganisation den Alltagstest?“.

Dominik Josten: Sag doch zu Beginn nochmal kurz, was ist denn so gemeint mit einem selbstorganisierten Team? Sodass man auch vom gleichen spricht, weil da gibt es ja durchaus unterschiedliche Interpretationen und wieso siehst du, dass es Aufmerksamkeit von HR benötigt?

Bianca Lampart: Also beim selbstorganisierten Team wird weitestgehend auf das Einwirken von Führungskräften verzichtet, d. h. im Team wird alles gemeinsam festgelegt. Die Regeln der Zusammenarbeit, wie sie miteinander interagieren und auch wie Entscheidungen getroffen und gefunden werden. Das heißt die Selbstorganisation ist ein flexibles und adaptives Organisationskonstrukt und eine Antwort auf die zunehmend komplexe, volatile und unbeständige Arbeitswelt. Also nicht die Antwort, aber eine.

Dominik Josten: Wo siehst du dann die konkreten Herausforderungen? Wichtig ist ja auch, die kommen ja oft erst nach ein paar Jahren sozusagen, oder?

Bianca Lampart: Jaja genau. Deswegen sprach ich von dem Alltagstest. Tatsächlich ist es so, wie du sagst, wird ein selbstorganisiertes Team gegründet, dann sind erstmal alle euphorisch, wie in so einer Honeymoon-Phase. Alle fühlen sich frei und selbstbestimmt und innovativ und frisch. Aber tatsächlich ist ja die Frage „was passiert in Krisen?“, also wenn es innerhalb des Teams zu einem Personalwechsel kommt. Wenn menschliche Konflikte aufkommen oder wenn sogar Personal abgebaut werden muss, was passiert dann? Was man ja auch sagen muss, tatsächlich ist ja so gut wie nie das gesamte Unternehmen selbstorganisiert. Das heißt selbstorganisierte Teams interagieren immer irgendwie mit klassisch hierarchisch geführten Einheiten. Dann haben wir das Phänomen, dass die Blase Selbstorganisation auf die Welt da draußen stößt. Man muss ja ehrlicherweise sagen, das ist ja für beide Seiten kompliziert. Nicht nur für das selbstorganisierte Team. Leider ist dann der Clash oft vorprogrammiert.

Dominik Josten: Es geht ja überhaupt nicht darum „Selbstorganisation ist keine gute Idee“, sondern im Gegenteil. Darauf hinzuweisen, dass man sagt, hier muss HR aufpassen, dass das Thema nicht nach der ersten Phase, wo es immer schön ist das auf eine Folie schreiben zu können „wir haben das jetzt eingeführt“, sondern auch dranbleiben und auch langfristig betreuten und gerade auch in der Krise. Welche Rolle kann, soll HR hier deiner Meinung nach übernehmen?

Bianca Lampart: Jaja total. Ich sehe HR dort wirklich in der Rolle der Moderatorin oder auch, wie soll ich sagen, so als ausgleichendes Element. Ehrlich gesagt, was du auch gerade meintest, HR hat ja bei diesem Thema insgesamt noch die wenigsten Aktien drin, aber HR darf trotzdem nicht ohne Plan agieren. Ich habe Situationen erlebt, da hat ein Geschäftsführer irgendwo irgendwas gelesen zum Thema Selbstorganisation und sagt „hier das will ich auch“ und dann ist es an HR zu sagen „macht das überhaupt Sinn? Wo macht der Einsatz Sinn?“.

Wir haben eben die Problematik aufgeworfen, dann zu schauen, dass auch die Selbstorganisation in der breiten Wahrnehmung nicht verbrannt wird. Gleichzeitig sollte HR aber auch die Selbstorganisation immer wieder kritisch hinterfragen. Hinterfragen „ist es ein echter Vorteil für die jeweilige Konstellation?“ und da sagtest du ja auch gerade „natürlich. Es gibt ganz viele Situationen, wo es absolut Sinn macht“ oder, und da kommen wir zum nächsten Problem, wird die Selbstorganisation genutzt, um dem Problem „schlechte Führungskräfte“ zu begegnen, was ja an anderer Stelle gelöst werden müsste.

Dominik Josten: Absolut valide. Das zu unterscheiden, kann ich gut nachvollziehen, ist wichtig. Sind wir überzeugt von Selbstorganisation oder sind wir unzufrieden mit unseren Führungskräften, aber finden eigentlich das Modell Führung nach wie vor richtig? Spannende Frage.

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Fazit

Dominik Josten: Bianca, Wahnsinn, jetzt sind wir doch schon eine halbe Stunde dabei, klasse Überflug. Ich weiß, es sind viele Themen auf einmal auch für die Zuhörer. Aber das zeigt ja eben auch die Vielfältigkeit von HR-Arbeit, wie unterschiedlich die Herausforderungen sind, wie unterschiedlich die Themen sind.

Bianca Lampart: Und es wird nie langweilig!

Dominik Josten: Und es wird nie langweilig und auch nicht darüber nachzudenken, zu schreiben und sich Gedanken zu machen, wie es besser gehen könnte. Ich glaube man merkt, dass in so einem Artikel von HR Heute viele überlegte Gedanken drinstecken und nicht einfach nur die erstbesten Dauerthemen abgeschrieben werden und ich finde du hast das super dargestellt bei allen Punkten, woher auch so der akute Bedarf kommt. Warum es jetzt speziell nicht „jaja Langfristthema, irgendwann in den nächsten fünf Jahren kümmern wir uns mal drum“, sondern warum da auch eine gewisse Begründung ist, doch eher jetzt bald mal sich damit auseinanderzusetzen.

Bianca Lampart: Genau.

Dominik Josten: Ganz große Klasse. Vielen Dank.

Bianca Lampart: Sehr, sehr gerne.

Dominik Josten: Damit würde ich schon sagen, ganz herzlichen Dank für deine Zeit und deinen Input und diesen Überblick und Überflug über alles, was HR aus deiner Sicht dieses Jahr umtreiben sollte und wünsche dir einfach noch einen schönen Nachmittag und bis bald.

Bianca Lampart: Vielen Dank Dominik, hat Spaß gemacht.

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