2 Arbeiter mit Helm neben Roboterarmn

Schluss mit Rumbrüllen in der Fertigung

Shopfloor-Management: Moderne Führung in der Fertigung

Was Personaler über Shopfloor-Management und moderne Führung in der Fertigung wissen sollten für eine bestmögliche Unterstützung ihrer Shopfloor-Manager

Was Personaler über Shopfloor-Management und moderne Führung in der Fertigung wissen sollten für eine bestmögliche Unterstützung ihrer Shopfloor-Manager

Wohl kaum ein Ort im Unternehmen ist unmittelbarer mit der Wertschöpfung verbunden als die Fertigung. Vorschläge zu ihrer Optimierung finden sich daher zuhauf. Trendthemen wie Industrie 4.0, digitaler Shopfloor und Lean Management legen darüber Zeugnis ab. 

Vielen der angepriesenen Vorschläge ist jedoch gemein, dass sie vor allem die Technik in den Mittelpunkt stellen. Doch auch bei jeder noch so fortschrittlichen Fertigung gilt: Der Mensch bleibt im Mittelpunkt. Maschinen müssen bedient und gewartet, Software verstanden und angewendet werden. Damit das alles reibungslos abläuft, muss jemand die Menschen und die dazugehörigen Tätigkeiten koordinieren – mit modernen Führungsmethoden. Denn Rumbrüllen in der Fertigung, wie Sie es als Personaler auch heute durchaus noch erleben, wenn Sie die heiligen (Produktions-) Hallen betreten, hat ausgedient.

Aber wie sieht erfolgreiche Führung im Shopfloor aus? Und worauf sollten Sie als Personaler achten, wenn es darum geht, Führungskräfte in der Fertigung zu entwickeln oder dafür zu rekrutieren?

Shopfloor-Management: Führungsaufgaben in der Fertigung

Das Management in der Fertigung ist die Aufgabe des Shopfloor-Managers. Wie der Dirigent eines Orchesters fügt er die Teile zu einem Ganzen zusammen, koordiniert die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden, organisiert das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Damit kommt ihm eine verantwortungsvolle Aufgabe zu.

Sprechen wir vom Shopfloor-Management, ist damit eine operative Tätigkeit gemeint. Es geht dabei nicht um langfristige, strategische Entscheidungen – etwa, was oder wie produziert wird –, sondern um die tägliche Managementtätigkeit vor Ort. Die Arbeit des Shopfloor-Managers lässt sich dabei in mehrere Kerntätigkeiten unterteilen.

Tätigkeit 1 im Shopfloor-Management: Führen der Mitarbeitenden

Als erste Aufgabe kommt dem Shopfloor-Manager das Führen der Mitarbeitenden zu. Aufgaben müssen zugeteilt, Ergebnisse überprüft werden. So weit, so trivial. 

Für das Führen im Shopfloor ergeben sich aber häufig einige Besonderheiten: Oft sind in der Fertigung bzw. Produktion sehr unterschiedliche Mitarbeitende tätig und das Kompetenzgefälle ist hoch: vom Ingenieur bis zur Hilfskraft, vom Zeitarbeitnehmer bis zur Stammbelegschaft. Die Führungskraft muss daher in der Lage sein, mit den unterschiedlichsten Gruppen umzugehen. Oft fällt ihr zudem eine Vermittlerrolle zu – sowohl zwischen den Mitgliedern der Belegschaft untereinander als auch zwischen der Belegschaft und den höheren Leitungsebenen.

Neben einer gewissen Stressresistenz erfordert diese Sandwich-Position auch ein ausgeprägtes diplomatisches Geschick. 

Tätigkeit 2 im Shopfloor-Management: Mitarbeiterkommunikation & Problemlösung

Kommunikation ist im Shopfloor ein zentrales Führungsinstrument. Diese umfasst dabei sowohl Regelkommunikation – etwa die täglichen Dailies zu Schichtbeginn – als auch die bedarfsorientierte Kommunikation während der Schicht. Eine Besonderheit ergibt sich hier dadurch, dass Führungskräfte in der Fertigung üblicherweise vor Ort führen. Geschlossene Bürotüren sowie Sekretariate sind somit weitestgehend unbekannt.

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Bedarfsorientierte Kommunikation wird vor allem dann notwendig, wenn Zielvorgaben nicht erreicht werden. Dies kann zum Beispiel dann passieren, wenn Maschinen nicht funktionieren oder Produktionsteile fehlerhaft produziert werden. In solchen Fällen ist nicht zu erwarten, dass die Führungskraft jedes (technische) Problem allein lösen kann. Sie sollte aber die Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder kennen und in der Lage sein, Gespräche unter Experten zu moderieren. Dies sollte wertschätzend und auf Augenhöhe geschehen. Hilfreich sind dabei Kenntnisse der aktiven Gesprächsführung. Dazu gehören auch Fragetechniken wie die 5-Why-Methode zur Fehler-Ursachen-Analyse. 

Kommunikation ist auch gefragt, wenn Konflikte in Teams auftreten. Viele Produktionsabläufe sind heute nicht mehr als Fließfertigung organisiert, sondern nutzen Prinzipien wie die Inselfertigung. Bei den teilweise sehr unterschiedlichen Teammitgliedern kann es selbstverständlich auch zu Auseinandersetzungen kommen. Auch hier sind eher Fähigkeiten als Mediator, nicht so sehr als Vorgesetzter gefragt.

Tätigkeit 3 im Shopfloor-Management: Kontinuierliche Verbesserungen initiieren

Auch in der Fertigung kennen die an der Produktion beteiligten Personen die Abläufe in der Regel am besten – und somit auch ihre Schwächen. Und was als Prinzip ohnehin für das ganze Unternehmen sinnvoll wäre, gilt unmittelbar am Ort der Leistungserstellung noch viel mehr: Wenn Mitarbeitende Verbesserungsvorschläge einbringen, sollten diese auch gehört werden.

Dafür werden Führungskräfte benötigt, die Mitarbeitende zu eigenverantwortlichem Handeln ermutigen und eine offene Lern- und Fehlerkultur vorleben. Dazu gehört auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen und neue Abläufe auszutesten.

Hier ergibt sich für den Shopfloor-Manager ein besonderer Balanceakt, denn gleichzeitig wird in einem Umfeld gearbeitet, bei dem Fehler viel drastischere Konsequenzen haben können als etwa im Office. Man denke beispielsweise an falsche Maschinenbedienung, die zu Unfällen mit teils erheblichen Folgen für Leib und Leben führen kann. Eine Fehlerkultur nach dem Motto „Trial and Error“ kommt hier somit nur bedingt zum Tragen. 

Tätigkeit 4 im Shopfloor-Management: Ziele visualisieren

Zu den weiteren Aufgaben des Shopfloor-Managements gehört, Transparenz zu schaffen und Ziele für alle sichtbar zu visualisieren. Dies kann beispielsweise über Kennzahlen an (digitalen) Shopfloor-Boards erfolgen.

Wichtig dabei ist, dass die Ziele SMART sind. Was jedoch als „realistisch“ eingeschätzt wird, dürfte häufig im Auge des Betrachters liegen. Hier kommt erneut die Fähigkeit der Führungskraft als Vermittler ins Spiel. Die Ziele müssen für das Unternehmen attraktiv, für die Mitarbeitenden aber auch tatsächlich machbar sein. Im Zweifel muss der Shopfloor-Manager Rahmenbedingungen durchsetzen, die den Mitarbeitenden die Zielerreichung erst ermöglichen. Dies erfordert ein gewisses Verhandlungsgeschick – auch gegenüber leitenden Positionen.

Shopfloor-Management: Worauf HR achten sollte

Beim Shopfloor-Management stehen nicht länger Kommandos, sondern das Verbessern der Kooperation zwischen den Mitarbeitenden im Vordergrund. Die hohen Leistungsspannen und die sehr unterschiedlichen, an der Produktion beteiligten (Interessen-) Gruppen fordern von der Führungskraft vor allem einen guten Gesamtüberblick über komplexe Zusammenhänge, eine hohe Flexibilität im Umgang mit verschiedenen Stakeholdern sowie sehr ausgeprägte Moderations- und Mediationsfähigkeiten.

Betriebswirtschaftliches und technisches Grundverständnis sollten da sein, ein dezidierter Spezialist in diesen Gebieten muss die Führungskraft aber nicht sein. Gerade wegen der verschiedenen Interessengruppen – Ingenieure, Handwerker und Techniker auf der einen, Betriebswirte, Kaufleute und Juristen auf der anderen Seite – bietet sich sogar häufig eher ein Allrounder an. 

Oft tun sich gerade alteingesessene Führungskräfte in der Fertigung schwer, die neuen Anforderungen an moderne Führung zu verinnerlichen und mit Leben zu füllen. Hier ist es an HR, diese Shopfloor-Manager im Rahmen einer effektiven Personalentwicklung entsprechend zu sensibilisieren und zu schulen. Leider gilt hier manchmal trotz aller Bemühungen das Credo „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“.

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Umso wichtiger, beim Recruiting von neuen Führungskräften für die Produktion auf das richtige Mindset zu achten. Auch wenn sich KandidatInnen ggf. (noch) nicht mit modernen Führungsthemen, digitalem Shopfloor oder der Lean-Philosophie auskennen, so sind als Grundvoraussetzung Eigenschaften wie Offenheit, Toleranz und der Wille, den Fertigungskollegen als Mensch und auf Augenhöhe zu begegnen, unabdingbar. Denn: Das Rumbrüllen in der Produktion ist vorbei.    

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