Frau mit Tasse, auf der 'Like a Boss' steht

"Jede Führungskraft hat nach einem Jahr die Mitarbeitenden, die sie verdient."

Führung, Unternehmenskultur und Talent Management

Führungskräfte müssen Unternehmenskultur und Talent Management leben und Vorbilder sein. Aber was brauchen Führungskräfte, um das zu erreichen?

Thomas_Fischer

Dr. Thomas M. Fischer

Dr. Thomas M. Fischer ist Co-Gründer und Vorsitzender der Geschäftsführung der Allfoye Managementberatung GmbH. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählt die Entwicklung von Digitalisierungsstrategien sowie das Transformationsmanagement bei umfassenden Digitalisierungsprojekten, insbesondere in Hinblick auf Organisation, Unternehmens- und Führungskultur. Hier fließen auch seine Erfahrungen als persönlicher Coach von Führungskräften aus mittelständischen Unternehmen und Konzernen ein.

Sind für Dich die Führungskräfte ausschlaggebend, ob jemand sein Talent entwickeln kann oder nicht?

Jeder kennt das aus der Schule. Bei einer Lehrerin oder einem Lehrer hat es nur zu einer 5 gereicht, bei anderen wurde es dann schlagartig besser und man hatte eine 2 im Zeugnis stehen.

Ähnliche Parallelen findet man im Sport. Der Trainerin oder der Trainer ist maßgeblich für den Erfolg seiner Schützlinge verantwortlich. Und so wie auf dem Platz ist in Unternehmen die Führungskraft verantwortlich für die Leistung seines Teams und die Identifikation und Entwicklung von Talenten. Es heißt nicht ohne Grund „Jede Führungskraft hat nach einem Jahr die Mitarbeitenden, die er oder sie verdient“. Die Entwicklung der Mitarbeitenden funktioniert aber nur, wenn auch die Mitarbeitenden gewillt sind, sich weiterzuentwickeln. Der Führungskraft und den Mitarbeiterenden obliegt es gemeinsam Potenziale zu entdecken und gezielt weiterzuentwickeln.

Brauchen Führungskräfte Anreize (finanziell/immateriell), damit sie ihre Mitarbeitenden weiterentwickeln?

Ich denke, Führungskräfte brauchen vor allen Dingen Zeit, um sich um ihre Mitarbeitenden zu kümmern und die Erkenntnis, dass Mitarbeitende der Schlüssel für den Erfolg sind. In vielen Unternehmen geschieht „Führung“ aber noch nebenbei.

Der beste Mann oder die beste Frau wird zu Abteilungsleitenden gemacht und arbeitet häufig noch sehr operativ mit. Da bleibt wenig Zeit. Und wenn dann „Führung“ insgesamt auch nicht den Stellenwert genießt, dann findet sie auch nicht oder nur zufällig statt.

Zum anderen fehlt es manchen Führungskräften schlicht an dem notwendigen Handwerkszeug. Ich halte nicht viel von Incentives, die nur auf die Entwicklung von Mitarbeitenden abzielen. Das läuft dann häufig nach dem Schema „Gemacht, nicht gemacht“. Zum Beispiel Gespräche mit Mitarbeitenden durchgeführt oder nicht. Ich halte mehr davon, finanzielle und nicht finanzielle Teamziele zu definieren und den Führungskräften dann den notwendigen Raum, die notwendige Haltung und die notwendigen Methoden an die Hand zu geben, um ihr Team und die Talente des Teams auf die definierten Ziele hin zu entwickeln.

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"Der Fisch stinkt vom Kopf". Wie oft agieren Führungskräfte als Vorbild in Puncto Talent Management? Und was ist, wenn dies fehlt?

Nun ja: Führungskräfte, angefangen bei der Geschäftsführung oder beim Vorstand, sind die maßgeblichen „Beeinflussenden“ und „Gestaltenden“ der Unternehmenskultur. Und mittlerweile wissen alle, wie wichtig Unternehmenskultur und wie wichtig in dem Zusammenhang Talent Management ist. Vielen fehlt aber nach meiner Erfahrung der richtige Weg. Das beginnt im Umgang mit ihren eigenen, direkt zugeordneten Mitarbeitenden und geht weiter zu den nächsten Hierarchiestufen. Top-Führungskräfte unterschätzen mitunter die Notwendigkeit der Eigenreflexion und die systematische Auseinandersetzung mit ihren Mitarbeitenden. Gute Unternehmende und gute Geschäftsführende arbeiten überwiegend AM System und nicht IM System. Jürgen Klopp spielt bei Liverpool ja auch nicht mit.

Es gibt auch sehr gute Beispiele in Unternehmen. Wo sich die Geschäftsführende insgesamt einig ist und einen gemeinsam getragenen Weg der Entwicklung der Mitarbeitenden verfolgt, wo mit Wertschätzung und Partizipation gearbeitet wird und Führungskräfte auf der 2. und 3. Ebene nicht nur zu Talent Management ermuntert, sondern auch geschult werden und wo es einen unternehmensübergreifenden Ansatz zur Förderung von Talenten gibt.

Einer dieses Leuchttürme, Vorstandschef eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens, sagte einmal zu mir, bevor er kurz darauf in Pension ging: „Ich habe in meinem Leben nie viel gearbeitet. Damit ich Zeit hatte, meine Mitarbeiter zu beobachten und ihnen zu helfen erfolgreich zu sein“.

Welche überzeugenden Ideen sind Dir zum Thema Talent Management über den Weg gelaufen?

Viele Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie selbst agiler werden können. Sie stellen fest, dass die Hierarchie zu langsam ist. Überzeugend finde ich hier den Aufbau eines sogenannten „2. Betriebssystems“, welches aus verschiedenen unternehmensübergreifenden Initiativen besteht und an denen alle Mitarbeitenden, unabhängig von ihrer Position, freiwillig mitwirken können. Meine Erfahrung aus den letzten Jahren ist: Jedes Unternehmen ist in der Lage, seine Kultur weiterzuentwickeln und einen fruchtbaren Nährboden zu schaffen, auf dem Talente wachsen und gedeihen können. Meist beginnt es mit der Diskussion im Top-Management. Dann braucht es zwei Dinge: Kultur/Haltung und eine übergreifende Systematik, die Programmen, Trainings, Entwicklungsschritten und individuelle Maßnahmen beinhaltet. Wir nennen das „Interventionsmaßnahmen“.

Welche Priorität hat bei Dir selbst das Thema Talent Management in Deiner täglichen Arbeit?

Wir haben in unserem Unternehmen eine ganz andere Form der Entwicklung der Mitarbeitenden gewählt. Wir haben zunächst einmal die klassische disziplinarische Form der Führung abgeschafft.

Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin bekommt stattdessen einen Mentor oder Mentorin. Diese Person agiert als Coach und hat die Aufgabe, die persönliche und fachliche Entwicklung seines Coachees zu begleiten.

Wir setzen dabei auf Selbstverantwortung der Mitarbeitenden einerseits und qualifiziertes, regelmäßiges Coaching andererseits. Unterstützt werden bei uns alle durch ein Softwaresystem, was uns hilft, die eigenen Ziele und die Ziele des jeweiligen Coachees zu verfolgen, das Thema Lernen und Feedback zu systematisieren und alle Mitarbeitenden in ihren individuellen Talenten zu fördern. Das entbindet mich als Geschäftsführer oder -führerin aber nicht, einen generellen Überblick über die Talente meiner Mitarbeitenden zu haben. Dabei setze ich vor allem auf das persönliche Gespräch.

Deine 3 Tipps zur besseren Talent Management-Führungskultur sind?

Aus meiner Erfahrung mit Führungskräften und der eigenen Coaching-Tätigkeit weiß ich, dass viele sehr gut mit folgenden drei Dingen zurechtkommen:

  1. Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit und reflektieren Sie sich, Ihr Wirken und die Leistung ihres Teams.
  2. Nehmen Sie die Haltung eines Coachs ein und führen sie regelmäßig Feedback-Gespräche mit Ihren Mitarbeitenden.
  3. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitenden und ziehen Sie ihnen ab und an Schuhe an, die 1-2 Nummern zu groß sind. Begleiten Sie sie dann und achten Sie darauf, dass sie nicht hinfallen.

Außerdem habe ich noch zwei weitere Tipps: Verabschieden sie sich von dem Gedanken, dass Sie immer wissen müssen, wo es lang geht. Fragen Sie in ihrem Team nach und entbinden Sie Ihre Leute nicht von der Verantwortung der Eigenentwicklung. Denn Talent Management ist keine Einbahnstraße. Mein letzter Tipp, als Vater von drei Kindern, in Anlehnung an die amerikanischen Managementautoren Kenneth Blanchard und Spencer Johnson: Ertappen Sie Ihre Mitarbeitenden dabei, wenn sie etwas gut machen.

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