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12

Zweiter Teil des Interviews mit Führungskräfte-Coach Henryk Lüderitz

Führung kann nicht jeder (2/2) - So verbessert HR die Führungskultur

Im zweiten Teil des Interviews mit Henryk Lüderitz dreht sich alles um Maßnahmen und Entwicklungsprogramme in Unternehmen, um die Führungskultur signifikant zu verbessern.

In vielen Unternehmen ist es die einzige Möglichkeit, an mehr Geld und Verantwortung zu kommen: der Aufstieg zur Führungskraft.

Doch diese Motivation für das Anstreben von Personalverantwortung ist genauso wenig ausreichend wie fachliche Expertise, aufgrund derer viele Unternehmen ihre Experten früher oder später in Führungsrollen befördern wollen.

Tatsächlich ist der Einfluss von Führungskräften auf den Gesamterfolg des Unternehmens, auf Motivation und Stimmung der Mitarbeiter, auf Innovationsgeist und Loyalität, viel zu groß, um diese Positionen so leichtfertig zu besetzen und stiefmütterlich zu behandeln, wie es häufig geschieht.

Ein spannendes Gespräch mit Führungskräfte-Coach, Berater, Speaker und Blogger Henryk Lüderitz über unterschiedliche Kandidatentypen, Empfehlungen an Personaler, sowie konkrete Tipps zum Selbst-Check der Talente vor der Bewerbung auf eine Führungsrolle sowie für die ersten Schritte als Führungskraft.

Während sich der erste Teil des Interviews thematisch auf den Weg vom Talent zur Führungskraft konzentriert hat, fokussiert sich dieser Teil auf die Verbesserung der Führungskultur in Unternehmen.

Über unseren Interview-Gast:

Henryk_Luederitz

Henryk Lüderitz

Henryk Lüderitz, Dipl.-Kfm. (FH), ist Management Trainer und Business Coach für junge Fach- und Führungskräfte. Er verfügt über 12 Jahre Management-Erfahrung bei einem führenden internationalen Mobilfunk-Konzern – hierbei mit mehr als acht Jahren in leitenden Positionen. Seit 2012 selbstständig, hat er aus Erfahrung und Leidenschaft eine Profession gemacht: Im Rahmen von Seminaren, Einzel- und Gruppen-Coachings, Workshops, Vorträgen – sowie außergewöhnlich praxisbezogenen Trainings-on-the-Job – entwickelt er junge Talente zu Führungskräften. Außerdem bloggt er auf dem Online-Magazin "The Young Professsional" über spannende Themen aus der jungen Talent-Szene!

Dominik Josten: Herzlich willkommen hier zurück im HR HEUTE Podcast heute mit dem zweiten Teil mit Führungscoach, Trainer und Speaker Henryk Lüderitz. Im ersten Teil haben wir uns schon sehr ausgiebig unterhalten und sehr viele, total spannende Erkenntnisse von Henryk aus seiner Coachingerfahrung mitgenommen was Talente tun müssen, worüber sie nachdenken müssen, ob sie wirklich bereit sind, Führungskraft zu werden, was für typische Fehler da so passieren können, wer geeignet und weniger geeignet ist und wer es noch nicht gehört hat, ich verweise gerne auf die letzte Folge, wirklich sehr hörenswert und freue mich jetzt auf den zweiten Teil. Henryk, erstmal herzlich willkommen zurück.


Henryk Lüderitz: Hallo Dominik.


Dominik Josten: Ich würde jetzt ganz gerne mal die zweite Seite besprechen. Wir haben uns im ersten Teil sehr den Talenten zugewandt und der Coachingsicht und der Coachingarbeit, du hast wahnsinnig viele gute Tipps gegeben, die ganz konkret jetzt auch jemanden, der davon betroffen ist als Führungskraft, als junges Talent mitnehmen kann, wie er sich vorbereiten kann und was mich interessieren würde, die ganze Erfahrung, die du da gesammelt hast, die kann man auch irgendwo in die Unternehmensseite einfließen lassen. Jedes „Problem“, was du als Coach versuchst zu lösen und meistens auch erfolgreich lösen kannst, eigentlich wäre es ja immer besser man vermeidet Fehler von Anfang an, anstatt sie später lösen zu müssen, weil dann kann man mit Coaching von ganz unten auf ein mittleres Niveau, lieber von einem mittleren auf ein hohes Niveau bringen.

Typische Fehler auf Unternehmensseite

Dominik Josten: Deswegen würde mich interessieren aus deiner Coachingarbeit, von dem was du von deinen Talenten hörst, gibt es auf Unternehmensseite wiederkehrende Fehler, die im Themenkomplex Führungskräfte immer wieder gemacht werden?


Henryk Lüderitz: Aus meiner Sicht schon. Das beginnt mit dem Thema der Führungskräfteauswahl. Das ist etwas, da hatte ich vorhin schon erklärt, es gibt unterschiedliche Typen von Personen, die in so eine Führungskräfteentwicklung kommen und dann gibt es leider auch die Kategorie, die im Unternehmen angesprochen werden, weil sie eine fachlich gute Performance bringen und dass man dann meint „okay, die jetzt an eine Entscheidungsposition zu bringen, ohne wirklich drüber nachzudenken, dass Fachkompetenz in einer Führungsrolle natürlich nicht mehr so eine große Gewichtung hat, sondern eher das Thema „Soft Skills“ und vor allem auch Führungskompetenzen“ und die sind häufig bei Experten nicht vorhanden und teilweise auch schwer erlernbar. Das ist etwas, da macht es sich die Personalabteilung natürlich schwer wenn man jemanden in so ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm bringt, nicht nur der bei null beginnt, was das Thema Führungskompetenzen betrifft, sondern dass der vielleicht auch noch so ein Thema mit seiner eigenen Biografie, mit seinem eigenen Karriereweg hat, dass er sagt „ich war eigentlich als Experte grundsätzlich sehr zufrieden, hätte mir vielleicht ein paar Hundert Euro mehr Gehalt gewünscht, aber stattdessen hat man mich hier in so ein Programm gesetzt“, das ist mehr oder weniger ein O-Ton, den ich an einigen Stellen schon mal gehört habe, wo ich dann sage „das schreit nach Potenzial es besser zu machen in dem Auswahlprozess“.

Das ist das Eine. Die von der Personalabteilung da so reingezwungen werden. Das andere sind die, die sich selber da so reinzwingen oder sich so einbringen, indem sie sagen „unabhängig davon, ob ich Experte bin oder nicht, ich bringe eine Leistung, ich möchte gerne mehr machen im Unternehmen, es gibt aber leider auf dem Weg nach oben nur noch den Teamleiter, also die klassische Fachlaufbahn als Projektleiter, als Experte, die bietet mein Unternehmen nicht an, deswegen muss ich jetzt das und das hier machen und sitze hier in einem Teamleiter-Nachwuchsprogramm“.


Das ist etwas, da steckt sogar schon der Impuls für die Personalabteilung drin, weil diese Person sagt ja „eigentlich mag ich das hier gar nicht so, aber es geht ja nicht anders“. Dieses „es geht ja nicht anders“, darüber nachzudenken und zu sagen „wir müssen mindestens adäquate, vergleichbare Karrierewege haben für Leute, die Leistung bringen wollen. Das sind aus meiner Sicht die klassischen Fehler, die schon bei der Personalauswahl beginnen und aus meiner Sicht systemisch sind, weil man da organisatorisch etwas ändern kann und damit diese beiden Themenfelder größtenteils aushebeln oder vermeiden kann.

Alternative Fachkarriere – so kann es funktionieren

Dominik Josten: Du hast es angesprochen, die „Fachkarriere“. Hast du das Gefühl, dass das viele Unternehmen wirklich gut hinbekommen diese halbwegs gleichwertig oder gleich attraktiv zu machen? Ich habe den Eindruck, oft gibt es die zwar, aber riesen Karriere macht man damit nicht. Ich habe mal vor ein paar Jahren in einem Artikel mal vorgeschlagen, dass man sagt, eigentlich könnte man doch Personal- und Budgetverantwortung trennen, dass quasi der Abteilungsleiter nur für das Personal verantwortlich ist, aber nicht gleichzeitig noch für das Budget, was für dieses Thema ausgegeben wird. Dafür wäre der Fachliche themenverantwortlich. Meistens erlebt man es aber ja doch, ist mein Eindruck, dass eben diese Fachkarriere, ich will nicht sagen „Alibi“ ist, aber das geht bis zu einem gewissen Grad, man kann dann irgendwie Senior Engineer und sonst was sein, aber so wirklich Entscheidungen treffen können, macht am Ende der Teamleiter. Es kommt damit einher, auch Menschen zu führen. Ist das auch deine Erfahrung?


Henryk Lüderitz: Ja teilweise. Ich habe schon gesehen, dass es besser geht, so Senior Referenten sind die Gruppen, Teamleiter, Abteilungsleiter, die dazu adäquat sind, dass dann diese Leute gar nicht mal Projekte unbedingt leiten, sondern vielleicht so eine Task Force oder so kleinere Projekte oder Projekte, wo sie selber das Projektteam sind. Das ist natürlich kein klassisches Projekt, aber dass sie in so einer absoluten Expertenrolle sind, man ihnen eine Aufgabe gibt, an der sie vielleicht 1 ½ Jahre intensiv arbeiten, da auch eine eigene Budgetverantwortung haben, da natürlich auch auf andere Leute in der Organisation zugehen, eine gewisse organisatorische Durchsetzungskraft auch haben. Das ist aus meiner Sicht das, wie eine Spezialistenrolle gut ausgefüllt ist. Das habe ich in vielen Konzernen gesehen, bei Vodafone auch, die Leute sind damit sehr glücklich, sind zufrieden, weil sie wissen „ich bin im Grunde genommen so eine One-Man- oder One-Woman-Show“, das ist ja auch das, weshalb die sich nicht für eine Führungsaufgabe entscheiden, weil sie sagen „ich bin eher so der zurückgezogene Typ, ich möchte so für mich auch mal drei Tage am Schreibtisch arbeiten und dann komme ich raus und dann rede ich und dann gehe ich wieder zwei Tage zurück“. Diese Möglichkeit muss man denen geben, weil dann sind sie wirklich gut. Das ist auch diese Unterscheidung, intro- oder extrovertiert zu sein, es geht ja gar nicht darum, dass das irgendwie ein Nachteil ist, sondern derjenige, der sich für eine Expertenlaufbahn entscheidet, der sagt ja auch bewusst „ich will für mich alleine arbeiten“ und wenn man das macht und dem dann entsprechende Aufgaben gibt und diese Aufgaben gibt es in den Unternehmen, dann erzeugen diese Leute auch eine Wirkung und auch eine Wirkung, die so groß ist, dass man in aller Regel wirtschaftlich rechtfertigen kann, den vergleichbar hohe Gehälter wie ein Gruppen- oder Abteilungsleiter zustehen. Ab diesem Level kommen natürlich auch höhere Bonuszahlungen ins Spiel und da muss man einfach sagen, so ein Hauptabteilungsleiter oder ein Direktor hat so eine Entscheidungsbreite und einen großen Verantwortungsbereich, das kann man auf einem Spezialistenlevel nicht mehr unbedingt abbilden. Das wollen aber auch Spezialisten nicht mehr.

Ich habe mit vielen Senior Referenten zu tun gehabt, die sagen „Mensch, das ist hier schon ein ordentliches Brett an Aufgaben, was ich habe, ich habe hier ein Thema, da bin ich seit 1 ½ Jahren dran, da hängt ein riesen Prozess hinter, wo ich alleine für verantwortlich bin und den ich gestalten muss“, das reicht denen. Deswegen ist es realistisch das zu machen. Man muss sich nur hinsetzen und diese Aufgaben suchen, das gehört ja immer dazu, es muss etwas da sein, dass diese Leute in ihrer Rolle auch das Gefühl haben, sie bringen Wirkung. Diese Wirkung muss so wirtschaftlich sein, dass man damit auch eine gewisse Gehaltsattraktivität realisieren kann.


Dominik Josten: Okay, wenn ich mal kurz zusammenfasse: Im Auswahlprozess mehr kommunizieren, mehr den Leuten die Chance geben, sich selber zu reflektieren, ob sie das überhaupt wollen, sie nicht da irgendwie reinzwingen, das ist schon mal ein ganz wichtiger Punkt. Dann auch Alternativen schaffen, dass es sich quasi nicht für das Talent alternativlos anfühlt, Führungskraft zu werden, wenn sie das eigentlich gar nicht wollen aber so einen inneren Konflikt haben: Sie wollen mehr Geld und sie wollen was Neues, weil sie halt Mitte 30 sind und wollen jetzt nicht mehr Junior irgendwas heißen, aber eigentlich wollen sie gar nicht führen, also für die eine Alternative schaffen. Dann, das hast du zwischendurch impliziert, aber im letzten Teil auch klar angesprochen: Neue Führungskraft zu werden, ist schwierig, braucht Unterstützung, d.h. die Botschaft, die man da sicherlich nochmal aufgreifen müsste ist - du hast gesagt, man kann als Unternehmen nicht einfach hin gehen und sagen „das wird schon“ als Führungskraft, sondern wenn man junge Leute zur Führungskraft macht und das ist ja wirklich sehr löblich und positiv, denen eine Chance und Perspektive zu geben, dann muss man sie auch unterstützen.

So sollten neue Führungskräfte unterstützt werde

Dominik Josten: Was sind da so die wichtigsten Angebote, die auf jeden Fall dabei sein sollten?


Henryk Lüderitz: Das fängt mit einer Standortbestimmung an. Jeder, der in eine Führungsrolle geht, der startet von irgendwo, der bringt sich selber mit und sein unterschiedliches Skillset, dass man da die Leute nicht nur alle über einen Kamm schert. Es ist eine gute Mischung aus „ich habe Individualität und ich kann jeden Einzelnen als Person hin entwickeln zu der Führungsrolle oder zu dem Führungsverständnis, was bei uns im Unternehmen herrscht“. Das ist der eine Teil. Der andere Teil sind natürlich einige generelle Skills und Methoden, die man grundsätzlich mit reinbringen kann. Grundsätzlich ist das auch so die Kombination in meinem Programm, was ich frei entwickeln kann, wo Unternehmen gesagt haben „machen sie einfach mal frei wie sie es für richtig halten mit kleinen Anpassungen“. Da ist diese Gewichtung von 1/3 individuellem Einzelcoaching oder auch Supervisionseinheiten oder kollegiale Beratung, wo die auch miteinander in den Austausch gehen, sich gegenseitig Feedback geben u. ä. und dann auch Feedback und Einzelsessions mit mir und 2/3, wo eher ein generelles Knowhow angeeignet wird, wo man über die einzelnen Führungsmethoden spricht, über die Führungsaufgaben wo man Zeit- und Selbstmanagement mit reinbringt. Viele verstehen dann irgendwann Führung und merken, sie haben nicht die Zeit dafür. Das ist schon ein ganzer Strauß an Skills, die man als Führungskraft grundsätzlich braucht, man braucht aber auch das Verständnis und die Freiheit, zu sagen „ich muss aber jetzt noch jemanden haben, der mit mir diese Übertragung auf meine individuelle Situation vornimmt und den Umsetzungserfolg garantiert“. Das passiert nicht von alleine. Der Erfolg von Präsenzseminaren liegt irgendwo so zwischen 5 % und 10 % und das ist für eine junge Führungskraft deutlich zu wenig und deswegen müssen wir individuelle Elemente wie Einzelcoachings mit reinbringen, wo man gezielt mit der einen Person 1 Maßnahme, mit dem anderen 5, mit dem anderen 2 Maßnahmen vereinbart und jeder weiß, woran er genau arbeiten muss.


Dominik Josten: Ich glaube das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil den Eindruck habe ich nämlich auch. Gerade wenn die Unternehmen noch kleiner sind und nicht in der großen Routine wie eine Vodafon, was neue Führungsprogramme angeht. Dann werden erste Schritte überhaupt gemacht, mal so Programme zu machen, aber die gelten dann mehr oder weniger für alle gleich, egal ob er jetzt vor zwei Jahren Führungskraft geworden ist oder in zwei Jahren werden soll oder vielleicht auch schon 20 Jahre ist und das ist dann echt schwierig.

Da sollten sich Personaler klarmachen, wie hoch die Kosten einer schlechten Führungskraft sind. Die beeinflusst ja das ganze Teams und im Zweifel mehrere Teams darunter und beeinflusst auch die Unternehmenskultur. Da sollte man nicht an Coachingkosten sparen oder an guter Führungskräfte-Unterstützung.


Henryk Lüderitz: Jetzt wo du es sagst, möchte ich noch eine Sache zu deiner eben erwähnten "Führungskultur" ergänzen. Auch da müssen Personaler nämlich ansetzen und sagen „was haben wir hier eigentlich für eine Kultur? Wie wird denn Führung momentan bei uns gelebt? Was haben wir für ein Führungsverständnis? Was haben wir für ein Leitbild, was haben wir für Werte und wie werden die von den anderen Führungskräften gelebt?“. Man kann ein schönes Programm entwickeln und die jungen Führungskräfte einbringen und dann treffen die auf die Realität von den bisherigen Führungskräften, die dieses Programm nicht kennen, die die Methoden nicht kennen, die die Führungswerte, die irgendwann mal aufgeschrieben wurden, nicht leben und dann trifft die Praxis und die Theorie aufeinander und dann fragen sich die jungen Führungskräfte „okay, das hat uns der Lüderitz anders erzählt, jetzt habe ich einen Chef, der macht das seit zehn Jahren anders und sagt mir auch, dass er das immer schon so macht und auch so weitermacht“.
Da muss man überprüfen „wie sieht die Realität im Unternehmen aus?“, wenn man sich auf junge Talente konzentriert, ist das sehr löblich in dieser Entwicklung, nur eben auch im Blick haben in welche Welt Sie nach dem Training eintreten werden. Es kann dann auch notwendig sein, dass man das Thema Führung, wenn man es richtig machen will, im ganzen Unternehmen als Setup machen zu lassen und mal nachschärfen, Thema Wertschätzung „was ist erlaubt, was nicht?“, der Wert Respekt „wie leben wir den? Wie sieht unsere Fehlerkultur aus?“, ein ganz klassisches Thema und was können wir als Personalabteilung dazu beitragen, dass ein möglichst einheitliches und akzeptiertes Führungsverständnis vorhanden ist. Wenn ich das nicht habe, kann ich die besten Programme aufsetzen, dann wird das hinterher in das bisherige Kultursetting reingepresst.


Dominik Josten: …und wieder rundgeschliffen. Dann hast du schön einen Diamant rausgeschliffen und am Ende bleibt wieder ein Kiesel, weil man in der Realität feststellt „die Vorbilder, die da oben sind, die zwei, drei Stufen über einem sind, die scheren sich nicht viel um dieses aus ihrer Sicht neumodische Chi-Chi“, wie Employee Experience, mal fragen, wie es dem Mitarbeiter geht, sondern die sind klassische alte Schule und sagen „habe ich 30 Jahre gemacht, hat noch immer gut funktioniert“. Das ist ein guter Punkt, weil das erlebe ich auch oft, diesen Konflikt. Dann kommen die mit neuen Ideen, aber oft funktionieren Dinge ja wirklich nur, wenn alle mitziehen.

Du hast es gerade angesprochen, viele sind schon lange Führungskraft, es entwickelt sich ja auch immer die Welt weiter und die Erwartungen an Führungskräfte. Mein Eindruck ist, wenn man die Gesamtheit betrachtet, scheint es mehr schlechte als gute Führungskräfte da draußen zu geben, weil eben auch die Fehler, die Unternehmen häufig machen, aber ich habe auch den Eindruck: Es gibt zwar viele Fälle, die sind zwar jetzt schlechte Führungskraft, aber die wollen das eigentlich nicht sein. Die haben gute Absichten, die würden gerne besser werden oder bessere Führungskraft sein, die haben die richtige Intention, aber stecken in so einem Dilemma einerseits sie machen das schon 15 Jahre und jetzt sagen „ich weiß gar nicht, wie ich wirklich gut mein Team führe, das ist schwierig“ und da auch den Zugang zu bekommen. Die haben natürlich im Gegensatz zu jungen Talenten schon viel länger das festgefahren manche Verhaltensweisen.

Mitnehmen von alt-eingesessenen Führungskräften

Dominik Josten: Ich weiß, es ist nicht dein Schwerpunkt, diese Alteingesessenen, denen zu helfen, aber hast du für Unternehmen Tipps, wie man vielleicht aus der Gesamtheit ihrer Führungskräfte diejenigen identifiziert, die es vielleicht heute nicht wirklich gut machen, aber die Potenzial haben, weil sie eigentlich die richtigen Absichten haben und wie man denen helfen kann?


Henryk Lüderitz: Das ist ein Thema, was ich in den letzten zwei Jahren ganz intensiv bei der Deutschen Bahn angegangen bin. Da ging es darum, eine wertschätzende, gesunde Führung in einem Werk mit knapp 140 Führungskräften und knapp 1000 Mitarbeitern anzusprechen, zu hinterfragen und dann zu gucken „wen kann man individuell entwickeln?“. Der Weg, den die da gegangen sind, ist erstmal klassisch wie ein Marketingprinzip, so „Attention, Interest, Desire, Action“, dass man überhaupt erstmal das Thema anspricht.
Ich habe da ein Seminar gemacht, was sich einen Tag hauptsächlich mit Triggern, mit einem Impulssetzen, mit einen „denkt mal drüber nach“ und überhaupt nicht in inhaltliche Schwerpunkte gegangen ist, wo von diesen 140 Führungskräften in Summe 1/3 ihre Einstellung an diesem Tag radikal geändert haben von, wie du es beschreibst, „das habe ich schon immer so gemacht“ und da waren teilweise einige kurz vor der Rente dabei, die noch gesagt haben „ich höre mir den Blödsinn mal an und dann rausgegangen sind und gesagt haben „das was du da als Beispiel gesagt hast, das hat mich zum Nachdenken gebracht“. Um am nächsten Tag kamen die rein und hatten eine ganz andere Bereitschaft, sich selbst zu reflektieren und am Ende dieser zwei Tage war es so, dass wir es offen gemacht haben. Jeder konnte sich selber zu Inhalten, die ihn bewegt haben, die ihn mitgenommen haben, konnte er sich selber eine Learning Journey auferlegen und sich sagen „das möchte ich dann machen, da möchte ich das ansprechen“, das wurde auch vom Werkleiter mitgetragen, der hat allen also auch die Zeit dafür gegeben. Der hat auch gesagt „ihr habt die Zeit als Führungskräfte, euch hinzusetzen“. Das war jetzt auch nicht viel, das waren immer pro Woche so 1-2 Stunden, weil die haben ja auch viel zu tun.

Aber dem Ganzen wurde Aufmerksamkeit gegeben, dem Ganzen wurden Ressourcen gegeben, um sich eben damit zu beschäftigen und das hat einen sehr guten Effekt gebracht. Es war nicht dieses „von oben belehren“, so wie die Personalabteilung spricht jemanden an „wir haben bei dir so zwei Beschwerden im letzten halben Jahr, denk doch mal drüber nach, ob du richtig führst“, sondern es war ein sehr wertschätzender und spannender Prozess hin zu einer Selbsterkenntnis und bei diesen Führungskräften, die mussten sich auch nicht outen, das waren individuelle weitere Schritte, die dann folgten, die aber keiner großartig mitgekriegt hat. Das hat dazu geführt, dass es da echt eine große Akzeptanz gab, die aus meiner Sicht schwieriger zu erreichen ist, wenn man von außen hingeht und sagt „über dich hören wir relativ schlechte Dinge, wir sitzen ab und zu mal im Personalgespräch mit dabei und das ist schwierig, was du da machst“.

Das funktioniert nicht ganz so gut, weil derjenige natürlich in eine Verteidigungshaltung geht und sich erstmal rechtfertigt, warum das alles so seinen Sinn hat. Da ist meine Empfehlung, eher triggern, eher im Coachingsinne zeigen, was möglich ist, wie man es gut machen kann und dann eben am Ende des Tages zu sagen „ihr habt heute vieles gehört, nehmt das mal mit, denkt mal drüber nach, sprecht mal mit eurer Frau, mit eurem Mann, mit euren Freunden und morgen früh treffen wir uns wieder und dann nehmen wir uns eine Stunde Zeit und reden drüber“. Da sind Leute, wo ich wirklich auch dachte „so wie der die ganze Zeit guckt, der sagt morgen keinen Ton“ und dann sitzt der da und sagt „da habe ich echt drüber nachgedacht“. Das ist aus meiner Sicht sehr erfolgreich gelaufen, habe ich jetzt auch ein-, zweimal reproduziert. Den Weg empfehle ich ganz klar.

Diese Frage bringt jede Führungskraft zum Nachdenken

Dominik Josten: Was sind das so für Beispiele, hast du da noch Erinnerungen, was das so war, was die Leute besonders zum Nachdenken gebracht hat, was für eine Frage vielleicht?


Henryk Lüderitz: Ein Vorurteil geht in Richtung Leistungsfähigkeit, dass viele Führungskräfte denken, dass es Mitarbeiter gibt, die echt nicht leisten wollen, die keinen Bock mehr haben. Ich weiß aus meiner eigenen Führungserfahrung: Die gibt es. Aber das ist ein total unmenschlicher Verhaltenszug. Dazu habe ich ein Beispiel: Diese "Fensterplätze/Fenstergucker" aus Japan - das gibt es in Deutschland nicht weil es neben Mobbing auch ein Straftatbestand ist aber in Japan funktioniert das sehr gut. Die werden in ein Büro gesetzt, keine Aufgaben, keine Kommunikation, sie werden völlig isoliert und ausgegrenzt und in der Regel kündigen die freiwillig, bevor sie das erste Gehalt für das Nichtstun bekommen. Die werden weiterhin bezahlt. Aber sie fühlen sich eben so überflüssig, so unnütz, dass genau dieser Gedanken sie so sehr quält, dass sie sagen „ich muss hier weg“. Da habe ich gesagt „denkt mal drüber nach, ihr würdet Geld fürs Nichtstun bekommen. Ihr dürft jetzt nach Hause gehen und die Bahn sagt euch „ihr kriegt weiter euer Gehalt“, aber ihr müsst nichts mehr dafür machen, ihr müsst nur hierher kommen. Ihr müsst euch an einen Schreibtisch setzen, für zu Hause Playstation spielen gibt es kein Geld, aber hier sitzen schon“.

Da haben alle durch die Bank weg, vielleicht ein oder zwei, wo es ein bisschen gedauert hat, da haben alle sofort gemerkt „das ist ja schlimm“ und dann habe ich das weitergemacht und gesagt „überlegt mal eure Mitarbeiter. Wenn ihr 10 oder 15 im Team habt und ihr würdet allen die Aufgaben wegnehmen. Wie fühlen die sich dabei? Fühlen die sich gut dabei? Gibt es da wirklich welche, von denen ihr glaubt, dass die das Monate und Jahre lang durchziehen?“ und da war die Antwort ein bisschen anders. Da gibt es bei 1000 Leuten in so einem Werk 5-10 Experten, die würden das so machen. Aber da war so die Erkenntnis „die machen das nicht mit Absicht. Es muss andere Gründe haben“ und dann so den Bogen zu machen Richtung Führung.

Es gibt auch da Beispiele, welche positive, aber auch negative Macht Führung hat. Auch ein beliebtes Beispiel ist das Thema Feedback. Wie es ist, kein Feedback zu bekommen. Führungskraft läuft durch die Halle, sagt nicht richtig „guten Morgen“, gibt keine Rückmeldung zu einer Arbeitsleistung. Da habe ich viele Beispiele, wo wir das durchgespielt haben und die da saßen und gedacht haben „das war so schlimm dieses ignoriert zu werden“ oder die hatten aus sich selbst heraus eine Idee, haben gesehen „da ist etwas passiert“ und die wollten das einbringen und haben gesagt „hier ich habe eine Idee, wie können wir damit umgehen?“, da wurden die auf verschiedenste Art und Weise abgelehnt und die haben gesagt „das hat so tief gesessen“, da war ein bisschen Streit im Raum, wo ich gesagt habe „Gang runter schalten, ist nur ein Rollenspiel“. Das hat sie viel zum Nachdenken bewegt. Auch diesen Perspektivwechsel zu betreiben. Das hat einige feste Strukturen geknackt.


Dominik Josten: Das ist ein gutes Stichwort. Ich kann mir vorstellen, manche dieser Führungskräfte haben sich vielleicht vorher gedacht „die sind schon so lange dabei, denen brauche ich nicht mehr ständig sagen, dass sie es gut gemacht haben, das wissen die auch selber“ und genau das würden sie trotzdem gerne hören. Jeder will irgendwie Feedback hören.

Schlechte Vorbilder sind keine gute Idee

Dominik Josten: Gibt es aus deiner Sicht bestimmte Stolperfallen, Dinge, Verhaltensweisen, Meinungen, die Führungskräfte allgemein aber vielleicht auch unerfahrene Führungskräfte machen und für eine gute Idee halten? Wie z.B. den Senior nicht ständig zu loben, die aber eigentlich tatsächlich keine gute Idee sind? Eine Anekdote dazu: Ich war vor vielen Jahren nach dem Studium, nach der Diplomarbeit, mal eingeladen als Gastjuror bei einem Führungskräfte Assessment einer Versicherung, durfte da mit zugucken, wie die ihre Assessments gemacht haben und da war einer der da Kandidat war zur Führungskraft, der hielt es allen Ernstes für eine gute Idee in einer Übung den Mitarbeiter völlig zusammenzustauchen und mit Abmahnung und Kündigung zu drohen, weil der seine Leistung nicht erbracht hat. Da ist der wirklich cholerisch geworden. Da war ich noch jung und habe gedacht „der redet sich gerade um Kopf und Kragen, der kann doch nicht ernsthaft glauben, jetzt hier vor drei erfahrenen Assessment-Center-Leuten und mir, dass es eine gute Idee ist, den Choleriker raushängen zu lassen“. Aber der schien der Meinung zu sein, das wäre nötig, als Führungskraft müsste man Stärke zeigen.

Deswegen mal die Frage: Gibt es da so Fälle, wo du sagst, das erlebst du auch oft, dass Leute denken, sie müssten das so tun, aber es ist eigentlich eine ganz schlechte Idee das so zu tun?


Henryk Lüderitz: Das ist natürlich ein extremes Beispiel für so ein Verhalten, wo jemand glaubt, dass es gut ist, es aber ganz klar in Richtung von No-Go geht. Das was da passiert ist, ist der Irrglaube bei vielen jungen Führungskräften, dass sie denken „hier ist eine Härte oder Durchsetzungskraft gefordert“, dass das ausschließlich über einen autoritären Führungsstil geht. Das ist etwas, was heute überhaupt nicht mehr „state of the art“ ist, dieses klassisch situative Führen geht ganz deutlich anders. Diese Coaching-Rollen, die man von Führungskräften immer mehr verlangt, Fragen stellen, Hilfe zur Selbsthilfe, das ist ja das, wo so der Trend hingeht und da sind die klassischen Fehler und Einstellungen bei Führungskräften, die gehen auch bei mir in so eine Richtung, z.B. auch alles besser machen zu können oder diese Rückdelegation, also hohe Ansprüche, die schlecht definiert sind.

Der Mitarbeiter ist verunsichert, kommt mit einer Frage „ist das richtig so?“ und da ist die Führungskraft dann schon so ungeduldig und sagt „geben sie es her, das kann sowieso nur ich. Wenn ich es richtig haben will, muss ich es selber machen“. Es gibt so ein paar klassische Aussagen, dieses „wenn ich es 100%ig haben will, muss ich es selber gemacht haben“. Wenn ich was entscheiden will, oder dieser Spruch „ich kann es nicht anders erklären, nur lauter“, das ist auch so ein Fail oder auch den eigenen Leistungsstandard hochsetzen, dieses „ich arbeite bis 18.00 oder 19.00 Uhr und wer hier um 17.00 Uhr geht, der ist offensichtlich kein Leistungsträger“. Das geht so in die Richtung von Vorurteilen. Das sind häufig Vorurteile, die von jungen Führungskräften übernommen werden, die das irgendwo mal gesehen haben, die das interessanterweise als ein schlechtes Führungsverhalten empfunden haben, aber mangels besserer Optionen das dann übernehmen und glauben, damit genau das zu machen, was gefordert ist.


Dominik Josten: Schlechte Vorbilder sind immer die größte Hürde für jemanden, der neu lernt. Wir sind jetzt schon wieder am Ende der Zeit angekommen, es ist unheimlich interessant sich mit dir zu unterhalten. Wir haben jetzt schon zwei Folgen voll.

Das würde Henryk als Personalchef tun

Dominik Josten: Jetzt mal eine kleine Schlussfrage. Wenn du mit all deinen Erfahrungen, du würdest jetzt nochmal Personalchef sein in einem Unternehmen, sagen mir mal 1500 Mitarbeiter, kein riesen Konzern, aber schon ein bisschen größer, so dass es unüberschaubar wird. Das ist ja oft diese Challenge, wenn ein Chef nicht mehr jeden kennt und beurteilen kann. Was wären so die Top 3-Maßnahmen, die du ergreifen würdest, um insgesamt eine bessere Führungskultur zu erreichen bei diesem Unternehmen?


Henryk Lüderitz: Das ist eine gute Frage. Zum Thema „bessere Führungskultur“ ist das Erste, was ich machen würde, eine klassische Bestandsaufnahme. Ich würde die etwas spannender machen und in einem Format, wo auch die Leute Bock drauf haben, mitzumachen und auch merken, dass sie davon betroffen sind. Das stelle ich mir so vor, dass ich einmal zeige, welche Wirkung Führung haben kann, sowohl gute als auch schlechte, dass ich dafür mal ein Beispiel gebe und die Leute mal frage „wie viel Bock haben sie noch zur Arbeit zu kommen und was glauben sie, woran liegt das?“. Das ist natürlich eine Frage, wenn ich mich in die Rolle versetze, habe ich selber ein bisschen Respekt, wenn ich das so ausspreche, aber das gehört ja dazu. Wenn ich Personalchef bin, muss ich ja Führung auch entwickeln. Da gehört auch zu, dass ich höre, dass 2/3 unserer Mannschaft das echt nicht gut finden, was hier gerade passiert. Da gibt es Gründe und Ursachen in der Führung. Gibt ja jetzt das berühmte Beispiel von dem Geschäftsführer der upstalboom Hotelkette, der sich da selbst hinterfragt hat und gemerkt hat „es ist echt nicht gut“ (SPIEGEL Online: "Ich war ein Flop Manager") oder Ray Dalio, der dieses kritische Feedback immer wieder einfordert. Das ist auf jeden Fall mein allererster Schritt, um herauszufinden „wo liegt der Hase im Pfeffer?“.

Der zweite Schritt ist der, mit Sicherheit wird es keine ausschließlich positiven Antworten geben und dann diesen Themen, die da benannt werden, auch wirklich ein Gewicht zu geben und zu sagen „ich will das verstehen, ich will das mal erleben“ und werde mir sagen „ich werde mich in einzelne Teams reinsetzen, wo es negative Rückmeldungen gab und möchte mir das mal angucken“, mir geht es nicht darum, einen Schuldigen zu suchen, sondern ich setze mich auch mal neben den Teamleiter und gucke mir mal, in welcher Situation ist der denn und wie ist sein Arbeitsalltag und was wünscht der sich. Was haben die für Ideen, wie man das Thema Führung verbessern kann? Auch da nochmal eine intensive Bestandsaufnahme, um zu sagen „jetzt überlegen wir uns mal gemeinsam, was wir tun können, wie wir gute Führung leben wollen, wie das Ganze aussehen soll und was wir dafür tun müssen und wie viel Platz und Gewicht gebe ich dem Ganzen?“ und bei 1.500 Mann muss man das auch erkennen, was alles auf einen zukommt.

Da gibt es diesen Klassiker, die Leute kommen für eine Firma, weil die Firma einen Namen hat, die bleiben für einen Job und die gehen wegen schlechter Führung. Diesen Lifecycle aufzubrechen und zu sagen „die kommen wegen der Firma, die bleiben wegen des Jobs und die bleiben weiter, weil gute Führung praktiziert wird“. Dieses Verständnis muss da sein und da ist mein Ansatz, der Personalentwicklung dieses Gewicht zu geben und wegzukommen von „wir füllen die Lücken“. Nein, sondern wir gehen sogar noch weiter, wir bringen das Thema Führung auf ein Niveau, das uns auszeichnet. Ich würde sogar als Führungskraft dahingehen, dass Thema Führungskultur in einer Vision dahin zu bringen, dass man sagt „wir sind Markt- oder Branchenführer, weil wir eine extrem gute Führungskultur haben, die gelebt wird und die über unsere Unternehmensgrenze hinaus wahrgenommen wird“. Das sind so die drei Schritte, die ich da gehen würde. Klingt nach verdammt viel Arbeit.

Dominik Josten: Ist es glaube ich auch. Personal ist viel Arbeit. Du hast vorhin mal gesagt „Personal kann im Endeffekt nicht die letzten Entscheidungen treffen, wer jetzt geeignet ist“, aber ihre Aufgabe muss sein, ihre Führungskräfte und Entscheidungsträger darauf aufmerksam zu machen, worauf sie achten müssen, dass sie eben nicht nur darauf achten „ist er ein guter Ingenieur?“, sondern „ist der eine gute Führungskraft, wenn er eine leitende Rolle übernehmen soll?“ oder eben natürlich auch methodisch sagt „das reicht nicht, den zu befördern, der irgendwie sympathisch oder lustig wirkt, gib dem auch Zeit, lass den nachdenken“. Das ist so die Aufgabe von Personal. Was du gesagt hast, finde ich absolut richtig: Gute Führung kann ein absoluter Wettbewerbsvorteil sein, erst recht wenn es sich rumspricht. Nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, weil Leute sind produktiver, motivierter, engagierter, loyaler wenn sie eine positive Erfahrung als Mitarbeiter wahrnehmen und erst recht noch als Führungskraft.

Henryks Schlussworte

Henryk Lüderitz: Eine Sache noch kurz, das ist jetzt keine unmittelbare Maßnahme, um Führung direkt zu verbessern, aber langfristig, weil du das Thema „Auswahl“ ansprichst. Eine Sache, die ich dann umsetzen würde oder die auf meiner Agenda steht als Personalchef ist, die Auswahl so zu verbessern, dass ich sage „ich nehme nicht die klassischen Auswahlprozesse“, auch nicht nur für eine Führungsposition, sondern auch für andere Positionen, sondern ich schaffe eine Kultur des „wir schauen mal genauer hin, was die Leute nicht nur jetzt machen, sondern welches Potenzial sie haben“. Ganz grob Richtung „Job Rotation“, dass ich eine Kultur ermögliche, dass die Mitarbeiter sagen können „ich mache zwar jetzt Buchhaltung und Abrechnung, aber ich hätte voll Bock mal rauszugehen in den Vertrieb und vielleicht kann ich das sogar gut und das man dadurch verborgene Talente entdeckt“ und genauso für das Thema Führung, dass man sagt „wir machen mal so „Chef auf Probe“ und jemand ganz ohne Verbindlichkeit, der darf das gerne mal drei Monate ausprobieren auf einer freien Position und dann sprechen wir hinterher mit dem Team, wir sprechen mit der Person, wir sprechen mit dem Vorgesetzten. War das gut? Haben wir durch diesen außergewöhnlichen Weg jemanden entdeckt, der sich im klassischen Wege nie darauf bewerben würde?“. Und wenn man dann noch darunter bei den Mitarbeitern so eine crossfunktionale Ausbildung gewährleistet, dass die auch mal andere Jobs übernehmen, dann kann man ja auch dieses „einer geht vom Team nach oben“, dann kann man diese freiwerdende Position im Team vielleicht auch leichter nachbesetzen.

Viel mehr Richtung Flexibilität, nicht mehr unbedingt mit diesem HR-Ansatz „jeder kann alles und wir entscheiden selbst“, aber viel mehr die Bereitschaft reinzubringen „hab Mut, denk auch mal über deine Grenzen hinaus und wir unterstützen dich dabei, hier in der Firma auch mal einen Weg zu gehen, der vielleicht total unüblich ist“, aber am Ende der Firma ein riesen Mehrwert liefert, weil jemand dahinkommt, wo er noch mehr bringt als vorher und damit natürlich auch für das Team eine ganz andere Bereicherung darstellen kann.


Dominik Josten: Ich glaube das ist ein wunderbares Schlusswort. Das bringt es sehr gut auf den Punkt. Personaler oder auch Unternehmen müssen mutiger sein an der Stelle mal etwas auszuprobieren und flexibler. Es darf keine Schande sein, auch nicht Führungskraft zu sein, z. B. auch nach der Führungskraft auf Probe zu sagen „ne, das ist nicht das Richtige für mich“ und wenn es dann eine gute Alternative gibt, sind die Weichen sehr gut gestellt, dass ich über kurz oder lang, das geht natürlich alles nicht von heute auf morgen, eine deutlich bessere Führungskultur etabliere, als das vorher der Fall war. Henryk, Wahnsinn, was ein Ritt. Ganz herzlichen Dank, das waren wahnsinnig viele Themen, wahnsinnig viele Einblicke. Ich finde es mega spannend, du hast einfach was aus der Praxis zu erzählen und nicht aus dem Lehrbuch, weil die können wir alle lesen. Es ist ja viel spannender gerade auch aus meiner Sicht mal zu hören, was die Talente auch denken und was sie ihrem Coach spiegeln.

Ganz herzlichen Dank für die Zeit und für die zwei spannenden Folgen. Ich wünsche dir alles Gute, weiterhin viel Erfolg bei deinen Tätigkeiten, bleib bei den Jungen dabei, weil ich glaube das bringt wirklich den größten, langfristigen Effekt, den gesellschaftlichen „Footprint“, den du hinterlässt und würde mich freuen, wenn wir nochmal eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit bekommen. Herzlichen Dank, schönen Nachmittag und bis bald mal.