Mehrere Personen arbeiten am Laptop

Frauen, Familie, Beruf: Rollenverständnis & Eigenverantwortung

Interview mit Prof. Dr. Böhmer zu Karrierechancen von Frauen

Teil 3 des Interviews mit Prof. Dr. Böhmer: Wie die heutige Generation über die ungleiche Rollenverteilung von Mann und Frau denkt.


Falls Sie den Anfang des Interviews verpasst haben, hier geht es zum 1. und zum 2. Teil des Interviews.

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Nicole Böhmer

Nicole Böhmer ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalmanagement, an der Hochschule Osnabrück. Ihr Fokus in der Forschung liegt im Bereich Karriere und Talent Management.

Von 2015 bis 2018 war sie Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Wirtschaftswissenschaften. In der Lehre steht sie insbesondere für Fallstudiendidaktik. Vor ihrer Berufung an die Hochschule Osnabrück war Nicole Böhmer langjährig im Personalmanagement im Bankensektor tätig.

Savina Schlichte: Was würden Sie mir als Frau noch mitgeben, wie ich meine Karriere vorantreiben kann?

Frau Prof. Dr. Böhmer: Also, ich finde es ganz wichtig zu schauen, wo will ich anfangen, wo stehe ich gerade und was möchte ich gerne machen. Sich auch bewusst machen, da gibt es ganz viele Möglichkeiten! Aus Studien weiß man, gerade Frauen finden es total wichtig, die verschiedenen Lebensbereiche auszubalancieren. Wichtig ist dabei, denke ich, gleichzeitig immer auch zu schauen, wie werde ich dann im Alter leben? Weil wir in Deutschland seit ein paar Jahren ein Scheidungsrecht haben, was dieses traditionelle Familienbild mit männlichem Alleinverdiener quasi nicht mehr berücksichtigt, sondern wo Frauen, sobald die Kinder in die Kita gehen, wieder arbeiten müssen.

Hier in Deutschland ist es häufig noch so, dass sich Frauen einfach darauf verlassen: wenn ich meinen Lebensunterhalt nicht selbst verdiene, wird mir mein Partner meinen Lebensstandard sichern. Das ist, glaube ich, ein zu starkes Risiko. Da würde ich immer sagen, liebe Frauen, schaut darauf, ob das wirklich realistisch ist, was ihr euch vorstellt. Handlungsstrategien aus solchem Wissen und aus ähnlichen Gegebenheiten abzuleiten und das trotzdem auch emotional zu wollen, das ist das schwierige. Hier kann man von HR Seite oder auch als Coach sensibilisieren, aber da dann tatsächlich zu einem guten Ergebnis zu kommen, das ist eben ein Stück weit die eigene Verantwortung. Und diese eigene Verantwortlichkeit, alles im Leben so zu erreichen, wie man es sich selber wünscht, das ist die größte Herausforderung.

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Savina Schlichte: Das hört sich jetzt eher nach der älteren Generation der Frauen an. In der jüngeren Generation kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass das noch so verbreitet ist?

Frau Prof. Dr. Böhmer: Das würde man denken, weil Frauen sind genauso gut ausgebildet wie die Männer, im Schnitt haben sie bessere Noten. Auch wenn ich mit den Studierenden spreche, sehen die sich immer als vollständig gleichberechtigt. Aber wir sehen, dass die Medien, die ja sehr präsent auch gerade bei der Generation Z sind, die Geschlechterrollenstereotypen jeden Tag aufs Tablett bringen. Und das ist sehr, sehr dominant und sehr geschlechtsspezifisch, was sich da jeden Tag in tausend Videos angeschaut wird. Es gibt eine aktuelle Studie, die besagt, viele dieser jungen Generation, die jetzt zum Beispiel Instagram und Co. nutzt, finden das gar nicht schlimm, dass Männer für das Gleiche mehr Geld verdienen.

Das bedeutet: Diese Idee, wenn alle besser ausgebildet sind und das besser verstehen und die Zusammenhänge klar sind und wir immer mehr Studien haben, dann muss sich doch was bewegen, die scheint nicht so zuzutreffen. Das heißt durch Social Media und das Internet gibt es auch Tendenzen, die zu einer Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen führen. Das müssen wir uns natürlich auch im HR-Bereich bewusst machen, wenn wir sagen, wir wollen dauerhaft sensibel sein für die Belange von Männern und Frauen und allen anderen Geschlechtern.

Durch Social Media und das Internet gibt es auch Tendenzen, die zu einer Retraditionalisierung der Geschlechterrollen führen.

Prof. Dr. Nicole Böhmer

Savina Schlichte: Das würde ja bedeuten, wir fördern wieder selbst unsere eigenen Stereotype, auch die jüngere Generation?

Frau Prof. Dr. Böhmer: Oft wird impliziert, wenn wir nur die Gleichstellungsgesetzgebung gut hinkriegen und alle auch im Wohlstand leben, dann werden sich die Geschlechter angleichen. Aber diese Konvergenzhypothese haben Studien widerlegt. Man sieht global, dass in den Ländern, wo der Rahmen gut gesetzt ist und der Wohlstand da ist, sich die Präferenzen der Geschlechter auseinanderdividieren.

Savina Schlichte: Da bleibt viel Forschungsbedarf.

Frau Prof. Dr. Böhmer: Forschungsbedarf ist auf jeden Fall da. Das ist schon richtig, aber wir haben auch schon viele Daten. Wir wissen zum Beispiel mit dem Global Gender Gap-Report, dass Rücktendenzen da sind. Wenn wir so langsam weitermachen, dass wir noch Jahrhunderte brauchen um Gleichstellung global zu erreichen und dass es eben bestimmte Länder gibt, wie zum Beispiel die USA, wo sie rückläufig ist.

Gleichstellung bedeutet nicht, für alle alles gleich zu machen. Gleichstellung bedeutet, allen Menschen im gleichen Maße zu ermöglichen, das zu tun, was sie in ihrem Leben und ihrer Karriere wichtig finden.

Prof. Dr. Nicole Böhmer

Savina Schlichte: Sieht man ja auch in der Politik gespiegelt.

Frau Prof. Dr. Böhmer: Ja, man sieht es und daher denke ich, Forschung ist das Eine, aber mit der Forschung kriegen wir keine Veränderung hin. Sondern es geht darum immer wieder zu fragen, wie kann man die Menschen sensibilisieren. Gleichstellung bedeutet nicht, für alle alles gleich zu machen. Gleichstellung bedeutet, allen Menschen im gleichen Maße zu ermöglichen, das zu tun, was sie in ihrem Leben und ihrer Karriere wichtig finden.

Wir danken Frau Böhmer für das spannende und informative Interview!

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