Leere Rolltreppen

Gastbeitrag: Betriebsbedingte Kündigungen & ihre Tücken

Schmerzhaft, aber manchmal unvermeidbar - die betriebsbedingte Kündigung und ihre Tücken. Ein Gastbeitrag von Rechtsanwältin Smaro Sideri.

Über unsere Gast-Autorin

Porträt Samora Sideri

Smaro Sideri

Smaro Sideri lebt in Esslingen und ist seit über 16 Jahren Anwältin, davon 3 Jahre in der Rechts-/ Personalabteilung eines Einzelhandelskonzerns, mehrere Jahre beim Arbeitgeberverband und seit 4 Jahren freiberuflich als Fachanwältin für Arbeitsrecht tätig. Außerdem gibt sie regelmäßig für verschiedene Seminarinstitute Lehrgänge. Mehr erfahren: teilzeit-anspruch.de

In Unternehmen mit Betriebsrat muss bei größerem Personalabbau mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart werden, um den Verlust des Arbeitsplatzes abzufedern. Neben Abfindungen, dem Übergang in eine Transfergesellschaft oder Umzugshilfen kann es viele weitere Angebote geben. Welche davon schlussendlich zum Tragen kommen, liegt beim Verhandlungsergebnis mit dem Betriebsrat.

Betriebsbedingte Kündigung mit festgelegtem Abfindungsangebot bei Klageverzicht

Damit es später nicht zu einem gerichtlichen Prozess kommt, wurde vor einigen Jahren der § 1a in das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) aufgenommen. Dort ist für betriebsbedingte Kündigungen die Möglichkeit vorgesehen, dass der Arbeitgeber mit der Kündigung ein festgelegtes Abfindungsangebot machen kann, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht gegen die Kündigung als solche klagt.

Der Arbeitgeber entscheidet, ob er dieses sog. § 1a KSchG-Angebot unterbreiten möchte.

Wenn Sie eine betriebsbedingte Kündigung mit § 1a-Angebot machen möchten, muss im Kündigungsschreiben die Abfindung konkret mit einem halben Bruttogehalt pro Beschäftigungsjahr angegeben werden (§ 1a S. 2 KSchG). Dieses Angebot kann die betroffene Person annehmen, muss sie aber natürlich nicht. Sie kann sich entscheiden Klage zu erheben, wenn die Ansicht vertreten wird, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt ist.

Es ist also von vornherein abzuwägen, ob ein solches Abfindungsangebot nach § 1a KSchG zur Vermeidung einer Klage für Sie als Arbeitgeber sinnvoll ist.

Betriebsbedingte Kündigungen ohne Abfindung

Eine betriebsbedingte Kündigung kann jedoch auch ohne Abfindung möglich sein, sofern eine Reihe arbeitsrechtlicher Voraussetzungen erfüllt sind. Denn im Falle einer berechtigten betriebsbedingten Kündigung besteht nicht per se ein Abfindungsanspruch.

Arbeitsgerichte entscheiden bei einer Kündigungsschutzklage nur, ob die Arbeitgeberkündigung wirksam ist (weil alle kündigungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind) und damit das Arbeitsverhältnis mit der Kündigung beendet wurde oder ob die Kündigung eben nicht wirksam war und somit das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Das Arbeitsgericht entscheidet nicht über die Zahlung einer Abfindung.

Eine Abfindung wird daher wenn, dann im Rahmen von Vergleichen bezahlt, weil der Arbeitgeber das Risiko vermeiden will, den Prozess zu verlieren.

Wer die folgenden Voraussetzungen jedoch befolgt, kann dieses Risiko minimieren und sich so die Abfindung theoretisch auch sparen. Da aber auch Gerichtsprozesse Ressourcen binden, sollte stets abgewogen werden, was die beste Lösung für das Unternehmen ist.

1. Voraussetzung: Wegfall von Beschäftigungsbedarf

Arbeitsrechtlich relevant ist nicht, wie hoch die Personalkosten sind, sondern nur inwiefern Arbeitsbedarf und somit Arbeitsplätze weggefallen sind.

Sie müssen also, spätestens vor dem Arbeitsgericht, darlegen können, welche Arbeiten mit wie viel Personal in welchem zeitlichen Umfang vor der betriebsbedingten Kündigung vorhanden waren und wie sich der Beschäftigungsbedarf so minimiert hat, dass nunmehr weniger Personal erforderlich ist.

Hörempfehlung:

Betriebsbedingte Kündigungen sind für jede Unternehmenskultur ein Tiefschlag. New Placement Experte Edgar Müller berichtet, wieso es häufig lohnenswert ist, stattdessen lieber nach internen Alternativen zu suchen, und dabei auch über die naheliegenden Optionen hinaus zu denken.

2. Voraussetzung: Mildere Mittel stehen nicht zur Verfügung

Klar, die Kündigung sollte immer das letzte Mittel sein, das Sie als Arbeitgeber einsetzen. Deshalb müssen Sie prüfen, ob andere, mildere Mittel möglich sind. Wenn Sie davon ausgehen, dass es sich um einen vorübergehenden Auftragsmangel handelt – wie z.B. bedingt durch die Pandemie – dann kommt als milderes Mittel zum Beispiel der Einsatz von Kurzarbeit in Betracht. Zur Einführung der Kurzarbeit müssen Sie mit Ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abschließen und die Rahmenbedingungen festlegen.

Ein anderes milderes Mittel gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung wäre, Mitarbeitenden eine anderweitige Beschäftigung anzubieten, ggf. zu anderen Arbeitsbedingungen oder an einem anderen Standort. Wenn beispielsweise Arbeitsplätze im Verkauf wegfallen, zeitgleich aber im Versand Unterstützung benötigt wird, wäre zunächst diese Option den betroffenen Mitarbeitenden anzubieten.

Wenn diese mit dem Vorschlag einverstanden sind, könnte der Arbeitsvertrag entsprechend abgeändert werden. Ist eine betroffene Person jedoch nicht einverstanden, müsste eine sogenannte Änderungskündigung ausgesprochen werden. Der Betriebsrat ist bei einer Änderungskündigung nach § 102 BetrVG anzuhören. Es handelt sich in diesen Fällen der Veränderung der Arbeitsbedingungen gleichzeitig auch um eine Versetzung, sodass zusätzlich die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG eingeholt werden muss.

Die Änderungskündigung hat Vorrang vor der betriebsbedingten Beendigungskündigung!

Smaro Sideri, RAin

3. Voraussetzung: Es wurde eine korrekte Sozialauswahl durchgeführt

Die Sozialauswahl spielt beim Auswahlverfahren einer betriebsbedingten Kündigung eine wichtige Rolle. Der Arbeitgeber muss bei der Auswahl der zu entlassenden Mitarbeitenden das soziale Schutzbedürfnis berücksichtigen. Das Kündigungsschutzgesetz legt hierfür die Auswahlkriterien fest. Eine betriebsbedingte Kündigung ist damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber die folgenden zu berücksichtigenden Sozialdaten nicht beachtet:

  • Lebensalter
  • Betriebszugehörigkeit
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderungen

Als Beispiel: In einem Einzelhandel fallen 10 von 20 Verkäufer-Stellen weg. Anhand der gesetzlich vorgegebenen Sozialauswahl müssen Sie die Sozialdaten aller Verkäuferinnen und Verkäufer vergleichen, um zu entscheiden, welche 10 Mitarbeitenden schließlich die betriebsbedingte Kündigung erhalten. Im dargestellten Beispiel wären somit die Verkäufer bzw. Verkäuferinnen von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen, die am jüngsten sind, am kürzesten im Betrieb beschäftigt sind, die wenigsten Unterhaltspflichten haben und keine Schwerbehinderung haben. Die vorgenommene Sozialauswahl ist gerichtlich überprüfbar.

Haben mehrere Mitarbeitende die gleichen Sozialdaten, haben Sie als Arbeitgeber ein Ermessen. Sie können in diesem Fall nach betrieblichen Erfordernissen bestimmen, welcher Mitarbeiter oder welche Mitarbeiterin betriebsbedingt gekündigt wird.

Sie können außerdem die Sozialkriterien unterschiedlich gewichten. Häufig werden die Unterhaltspflichten doppelt oder vierfach gewichtet natürlich bei allen vergleichbaren Beschäftigen. Die vorgenommene Sozialauswahl müssen Sie dem Betriebsrat im Rahmen der BR-Anhörung genau mitteilen und sind an diese Sozialauswahl bei einem gerichtlichen Verfahren gebunden.

Ist ein größerer Personalabbau erforderlich, können Sie Altersgruppen bilden, innerhalb derer man die Sozialauswahl durchführt. Der Betriebsrat ist auch hier zu beteiligen.

Fazit

Betriebsbedingte Kündigungen sind manchmal nicht zu vermeiden. Es empfiehlt sich grundsätzlich, vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung anwaltliche Beratung einzuholen, um nicht über eine der vielen Stolperfallen des Kündigungsschutzes ins Straucheln zu geraten.

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