Laptop Hände die auf der Tastatur sind

Mensch oder KI-Bot: Von wem ist das Anschreiben?

ChatGPT kann Texte schreiben. Sogar besser, als viele Menschen es hinbekommen. Sind Anschreiben also endgültig sinnlos geworden? Vermutlich schon!

„Sehr geehrte/r [Name der Ansprechperson], Buchhaltung ist für manche ein Albtraum, aber für mich ist es die Magie, die Zahlen zum Leben erweckt und Ihr Unternehmen auf finanziellen Höhenflug bringt!“

Für ein Anschreiben ist das ein Einstieg, der auffällt. Auf jeden Fall ist er kreativer als die Realität in vielen Bewerbungsunterlagen. Auch wenn es irgendwie übertrieben klingt – so eine leidenschaftliche Buchhalterin hat man noch nicht getroffen. Kein Wunder: Denn der Text stammt nicht von einem Menschen, sondern von ChatGPT. Erforderlich war nur ein simpler Befehl: „Formuliere einen aufregenden ersten Satz für ein Bewerbungsschreiben als Buchhalterin. Mutig und emotional. Kurze, einfache Sätze. Professionell.“

Sind Anschreiben zeitgemäß?

Schon vor einer Weile haben wir uns Gedanken dazu gemacht, ob Anschreiben überhaupt noch zeitgemäß sind. Wenn sich die Texte jetzt auch noch mithilfe von ChatGPT mehr oder weniger automatisch erstellen lassen, dann ist dieses Recruiting-Format wohl endgültig überholt. Denn der Sinn des Anschreibens besteht ja gerade darin, etwas über die Bewerberin oder den Bewerber zu erfahren – was der KI-Bot an der ausgeschriebenen Stelle toll findet, interessiert uns als HR-Verantwortliche beim Recruiting eher nicht. Sollten Personalabteilungen das Anschreiben also endlich in die Mottenkiste packen?

 

Engagement und Persönlichkeit

Wenn Unternehmen von Bewerberinnen und Bewerbern ein Anschreiben erwarten, dann werden vor allem zwei Gründe genannt: Erstens sollen die potenziellen Mitarbeitenden mit der Formulierung des Anschreibens ihr Engagement für den künftigen Arbeitgeber unter Beweis stellen – was Ausdruck eines fragwürdigen Verständnisses des Bewerbermarktes ist. Und zweitens soll das Anschreiben einen aussagekräftigen Eindruck vermitteln, was für ein Mensch sich da eigentlich bewirbt. Der Wunsch ist nachvollziehbar. Allerdings: Wie oft kommt es in der Praxis tatsächlich vor, dass ein Anschreiben wirklich mehr bietet als eine Aneinanderreihung von Floskeln?

Ein empirischer Blick auf dieses Thema macht hier wenig Hoffnung: Für eine Studie hat die Jobplattform Joblift in Deutschland mehr als 1.000 Kandidatinnen und Kandidaten befragt. 21 % von ihnen nutzen das einmal erstellte Anschreiben unverändert und tauschen lediglich die Adresse und die Kontaktperson aus. 26 % verwerten mehr als die Hälfte des Anschreibens immer wieder, 14 % etwa die Hälfte.

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Ohne Individuum keine Individualität

Dass ChatGPT zum Gamechanger wird, ist schwer vorstellbar. Vermutlich wird es für Bewerberinnen und Bewerber mit ChatGPT weniger nervig, ein Anschreiben zu formulieren. Aus Sicht der Unternehmen wäre damit der Engagement-Nachweis passé. Wie gesagt – ohnehin fragwürdig. Und vielleicht werden die einzelnen Anschreiben auch wirklich abwechslungsreicher und unterhaltsamer. Nur – aussagekräftiger werden sie sicher nicht. Denn wenn das Individuum sich gar keine Gedanken mehr dazu macht, weshalb ein Job genau der Richtige ist, dann drücken Anschreiben gar keine Individualität mehr aus. Und dann sind sie endgültig überflüssig.

Alternative: Asynchrone Videointerviews

Aus unserer Sicht ist es an der Zeit, das Anschreiben durch Formate zu ersetzen, mit denen sich Menschen wirklich kennenlernen lassen. Das leisten zum Beispiel asynchrone Videointerviews: Bewerberinnen und Bewerber erhalten Fragen; ihre Antworten nehmen sie als Video auf und senden dieses an den potenziellen Arbeitgeber zurück. Hier gewinnen alle Beteiligten einen vergleichsweise unmittelbaren Eindruck von den Menschen, mit denen sie künftig eventuell zusammenarbeiten. Das ist kein Ersatz für ein persönliches Gespräch. Asynchrone Videointerviews sind aber um Längen besser als Anschreiben – ganz gleich, ob die vom Menschen oder vom Bot geschrieben sind.

Partnerinhalt: YouTube-Kanal unseres Autors Dominik Josten

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