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Mehr Feedback an den Chef!

360-Grad-Feedback und gute Gesprächsführung

Feedback an die eigene Führungskraft geben kann schwerfallen. Umso wichtiger, dass HR Rahmenbedingungen schafft und Mitarbeitende befähigt.  

 

Mitarbeitergespräche gehören zu den klassischen Führungsinstrumenten. Nahezu jede*r Angestellte*r kennt sie. Sie kommen dabei in den unterschiedlichsten Formen vor: mit oder ohne Leistungsbeurteilung, regelmäßig oder sporadisch, strukturiert oder unstrukturiert.

Trotz aller Unterschiede im Detail, teilen die meisten Mitarbeitergespräche eine gemeinsame Eigenschaft: Sie erfolgen top-down – der Chef leitet das Gespräch und gibt Feedback. Seltener ist, dass auch Mitarbeitende dem Chef Feedback geben.

Leitfaden Mitarbeitergespräche

Leitfaden: Mitarbeitergespräche

Mitarbeitergespräche professionell führen, Zielvereinbarungen zeitgemäß gestalten

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Die Nachteile einseitiger Kommunikation

Dass Feedback häufig top-down verläuft, ist problematisch. Mitarbeitergespräche geben den Angestellten Orientierung, sie helfen, sich im Unternehmen, in der Abteilung und im eigenen Aufgabengebiet besser zurecht zu finden. Aber auch jede*r Chef*in ist nur ein Mensch – wie alle anderen Mitarbeitenden sind auch sie nicht vor Fehlentscheidungen, falschen Einschätzungen und ungerechter Behandlung gefeit.

Erhält die Führungskraft kein entsprechendes Feedback, werden unerwünschte Entwicklungen möglicherweise nicht erkannt und verfestigen sich. Leider wünschen nicht alle Chefs Feedback und fordern es entsprechend auch nicht aktiv ein. Teilweise ist dies darin begründet, dass so manche*r Vorgesetzte*r einen Autoritätsverlust durch Kritik befürchtet.

Doch eine mangelnde Feedbackmöglichkeit kann zu Stress und fehlender Motivation der Mitarbeitenden führen – im Ergebnis sinkt die Produktivität. Im schlimmsten Fall droht sogar „adverse selection“: Dann verlassen vor allem die Leistungsträger*innen das Unternehmen. Nach Angaben von Porsche Consulting in Anlehnung an eine Umfrage von „Die Welt“ geben 28 Prozent aller Mitarbeitenden, die in den letzten zwölf Monaten über einen Jobwechsel nachgedacht haben, den Chef als entscheidenden Grund an. 45 Prozent der Befragten bemängeln dabei vor allem, dass der Chef zu viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen versucht. Um die 30 Prozent geben jeweils an, dass der Chef oft gestresst sei oder die Mitarbeitenden auch bei guter Arbeit selten lobe.

Rahmenbedingungen für Feedbackgespräche mit der Führungskraft

Vor diesem Hintergrund sind regelmäßige Feedbacks an den Chef sehr wichtig. Unternehmen sollten daher zunächst sowohl in Leitungspositionen als auch bei Mitarbeitenden für das richtige Mindset sorgen. Dazu zählt die offene Kommunikation, dass Feedbacks an Vorgesetzte nicht nur geduldet werden, sondern ausdrücklich erwünscht sind. Insbesondere sollte klar sein, dass Kritik keine negativen Auswirkungen auf die Karriere eines Mitarbeitenden hat.

Aber das ist leichter gesagt als in der Praxis umgesetzt. Denn die vom Personalbereich bzw. Unternehmen angestrebte Feedbackkultur muss nicht unbedingt dem Empfinden der Mitarbeitenden entsprechen. In hierarchisch organisierten Unternehmen sitzt die Führungskraft im Zweifel am längeren Hebel. Daher befürchten Mitarbeitende aufgrund des Unterstellungsverhältnisses Repressalien, wenn sie ihrer Führungskraft ehrliches Feedback geben.

Bedenken Sie diese mögliche Gefühlslage, wenn Sie als Personaler Mitarbeitende zu Feedback ermutigen.

Es kann daher durchaus sinnvoll sein, Mitarbeitende mit dem Thema Feedback an die eigene Führungskraft nicht sich selbst zu überlassen, sondern das Feedbackverfahren zu systematisieren und einen offiziellen Rahmen dafür zu schaffen.

Mitarbeiterbefragung und 360-Grad-Feedback

Beispielsweise kann die Personalabteilung regelmäßig anonyme Mitarbeiterbefragungen durchführen, die Fragen zur Führungskraft beinhalten. Die Auswertung der Fragebögen kann dann Ausgangspunkt für noch einzuleitende Maßnahmen sein.

Hier kommt es allerdings darauf an, wie dezidiert die Mitarbeiterbefragung aufgesetzt ist, damit es nicht bei allgemeinen Aussagen zum Führungsverhalten im Unternehmen insgesamt bleibt. Qualitative Aussagen sind erst dann möglich, wenn die Befragung auch die Organisationsstruktur des Unternehmens abbildet und die Antworten zur Führungskraft einem konkreten Bereich oder einer bestimmten Abteilung zugeordnet werden können. Damit die Anonymität jedes einzelnen gewahrt bleibt, sollte ein ausgewerteter Bereich aber beispielsweise nicht weniger als 3 Mitarbeitende umfassen. 

Umfassender und genauer als eine klassische Mitarbeiterbefragung ist das 360-Grad-Feedback: Mitarbeitende und Führungskraft beurteilen sich anhand eines Fragebogens selbst. Den gleichen Fragebogen erhalten aber auch die jeweils übergeordneten Vorgesetzten, andere Teammitglieder oder wichtige interne Schnittstellen sowie, wo sinnvoll, Kunden etc. So erhalten die Personen aus verschiedenen Perspektiven Feedback und erkennen Unterschiede in der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Die Ergebnisse können dann bei einem professionellen Coaching aufgearbeitet und beispielsweise in Weiterbildungsmaßnahmen überführt werden. 

Die Anonymität dieser beiden Instrumente kann jedoch auch dazu führen, dass die Bewertungen von einer sachlichen in eine persönliche Kritik abgleiten. Insofern sollte bereits im Vorfeld kommuniziert werden, dass ausschließlich sachliche Kritik erwünscht ist – und dass auch nur diese bei der Auswertung berücksichtigt wird. Wie alle standardisierten Verfahren haben sie zudem den Nachteil, dass durch die Art der Fragestellung immer ein Priming, also eine unbewusste Beeinflussung, möglich ist oder eventuell wichtige Aspekte keine Berücksichtigung bei den Fragestellungen finden. Die Nutzung dieser Instrumente muss von der Personalabteilung daher gut vorbereitet werden.

Das persönliche Feedbackgespräch

Mitarbeitende sollten daher auch immer die Möglichkeit haben, unabhängig von offiziellen Mitarbeiterbefragungen oder 360-Grad-Feedbacks, die zwar regelmäßig, aber dennoch i. d. R. nur einmal im Jahr durchgeführt werden, ihren Führungskräften Feedback in einem persönlichen Gespräch zu geben – wie auch, wohlgemerkt, andersherum. Regelmäßige Kommunikation ist die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit und beugt Missverständnissen vor, die sich, wenn nicht besprochen, unnötig hochschaukeln können. 

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Um sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitenden mehr Sicherheit zu geben, empfiehlt es sich, sie in Gesprächstechniken zu schulen und Feedbackregeln festzulegen. Denn tatsächlich kennt die Gesprächspsychologie Konzepte für eine gelungene Gesprächsführung – aber längst nicht alle Beschäftigten kennen sie.

Ein Beispiel hierzu wäre das Konzept der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg. Eine Weiterbildung in diesen Techniken kann dazu beitragen, die Hemmungen vor offenen Gesprächen abzubauen. Fühlt sich der Mitarbeitende bestärkt, dass er beim Feedback an seine Führungskraft den richtigen Ton und das richtige Wording findet, verflüchtigen sich möglicherweise auch seine oben angesprochenen allgemeinen Bedenken. 

Zuletzt kann die Personalabteilung auch Supervision für Vorgesetzte und Mitarbeitende anbieten. Diese lässt sich dann dazu nutzen, ein Feedbackgespräch rückblickend zu analysieren. Sollte es nach dem Gespräch beispielsweise doch zu schwierigen Situationen zwischen den Gesprächspartnern gekommen sein, könnten diese mit Unterstützung eines Supervisors angemessen und neutral reflektiert werden.

Fazit: Wie HR zu einem Klima beiträgt, in dem konstruktive Kritik möglich ist

HR kann in vielfältiger Weise dazu beitragen, das Klima für konstruktive Kritik zu verbessern. Sie kann die Rahmenbedingungen verbessern, geschützte Gesprächskanäle bieten, alle am Feedback Beteiligten in Gesprächsführung schulen und moderne Instrumente wie das 360-Grad-Feedback einsetzen. Da nicht alle Führungskräfte gleichermaßen Feedback wünschen, helfen insbesondere diese institutionalisierten Instrumente dabei, ein wechselseitiges Feedback-System fest im Unternehmen zu etablieren. Dadurch trägt die Personalabteilung direkt zu einem besseren Betriebs- und Arbeitsklima bei. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels ist dies wichtiger als jemals zuvor.    

Leitfaden: Mitarbeitergespräche erfolgreich gestalten