Mittelalte Frau mit Brille erklärt etwas dem Team

Frauen in Führungspositionen: Ergebnisse, Erklärungen, Empfehlungen

Nach wie vor sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Studien bieten dafür verschiedene Erklärungen an – vermutlich ist an allen etwas dran.

„Familie macht viele Frauen glücklich – mit Diskriminierung hat das nichts zu tun“. So überschrieb die Neue Zürcher Zeitung 2023 einen Kommentar, der sich einer Umfrage mit Sprengkraft widmete. Die beiden Professorinnen Margit Osterloh und Katja Rost hatten Studentinnen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Universität Zürich befragt, um Erklärungen für die Leaky Pipeline zu finden. Mit Leaky Pipeline wird im wissenschaftlichen Umfeld die Tatsache bezeichnet, dass der Frauenanteil bei steigender Position im akademischen System abnimmt. Die Ergebnisse der Befragung – die im Vorfeld geleakt worden waren – veranlassten die NZZ-Kommentatorin zu einem pointierten Schluss: „Eine Umfrage zeigt, was wir schon immer ahnten: Frauen sind weniger karriereorientiert als Männer“.

Rollenverständnis als Karrierefaktor

Natürlich löste der Kommentar eine hitzige Debatte aus. Die Studien-Autorinnen sahen sich sogar gezwungen, die Ergebnisse ihrer Umfrage einzuordnen und damit die allzu forschen Interpretationen der Zahlen zu relativieren. Nachdem sich die Aufregung mittlerweile gelegt hat, bleiben zwei Aspekte hängen: Erstens scheint das Rollenverständnis von Frauen tatsächlich ein Faktor zu sein, der sich auf ihre Karriere auswirkt. Wenn ein Kind zu betreuen ist, tendieren Frauen eher dazu, weniger im Job zu arbeiten und sich mehr um die Familie zu kümmern als Männer. Das zeigt die Studie methodisch einwandfrei. Eine explizite Erklärung liefert sie aber nicht – was die Instrumentalisierung leicht macht. So lassen sich die Ergebnisse aus konservativer Sicht als Hinweis auf eine „natürliche (biologisch determinierte) Geschlechterordnung“ nutzen. Wir dagegen halten die Ergebnisse eher für den Ausdruck eines tief verankerten Rollenverständnisses, das Frauen auch in der westlichen Welt immer noch ansozialisiert wird.

Frauen in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert

Zweitens zeigt die von der Umfrage ausgelöste Kontroverse, wie politisch die Karriere von Frauen nach wie vor ist. Fest steht auf jeden Fall, dass Frauen in Führungspositionen auch heute noch deutlich unterrepräsentiert sind. Laut dem Mixed Leadership Barometer 2023 [1] von EY sind derzeit knapp 16 % aller Vorstandsmitglieder in DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen weiblich – 2014 waren es lediglich rund 5 %. Der Aufstieg ganz an die Spitze ist immer noch die Ausnahme: Nur in 6 % der erfassten Unternehmen fungiert eine Frau als CEO.

 

 

Je größer das Unternehmen, desto geringer der Frauenanteil

Eine Studie [2], die das ifo Institut im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durchgeführt hat, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei ihnen zwischen 0 und 25 % liegt, bei einem Drittel der Unternehmen sind zwischen 26 und 50 % der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Jedes zehnte Unternehmen weist einen Frauenanteil von zwischen 51 und 75 % aus, bei jedem 25. Unternehmen liegt der Wert zwischen 76 und 100 %. Wie weit Frauen in ihrer Karriere kommen, hängt offenbar auch von der Größe des Unternehmens ab. Bei Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten oder mit mindestens 50 Millionen Euro Umsatz sind nur 14 % der Vorstands- oder Geschäftsführungspositionen von Frauen besetzt – über alle Unternehmen hinweg hat das ifo Institut einen Durchschnitt von 25 % ermittelt.

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Die gläserne Decke: Nach wie vor schwer zu durchbrechen

Als mögliche Erklärung für den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen führen die Autorinnen und Autoren der ifo-Studie das Fortbestehen der gläsernen Decke an – und verweisen damit auf einen Diskriminierungsklassiker. Demnach erschweren den Aufstieg von Frauen in der Firmenhierarchie unter anderem Stereotype bzw. Vorurteile in Bezug auf die Führungsqualifikation von Frauen, eine männerorientierte Unternehmenskultur sowie ein mangelnder Zugang zu informellen Netzwerken. Schon eine Untersuchung [3] des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2014 brachte die gläserne Decke als Erklärung in Stellung. Hier heißt es:

Hüter der „gläsernen Decke“ sind ja nicht die einzelnen Männer (von denen die meisten sehr aufgeschlossen gegenüber kompetenten und engagierten Frauen sind), sondern Hüter der gläsernen Decke sind die – meist vorbewusst – zementierten Mentalitätsmuster in den Köpfen und Herzen der Männer, die sich zu Rollenbildern und Führungskulturen mit eigenen Ritualen, Sprachspielen und Habitusformen formiert haben.

Solche Vermutungen lassen sich empirisch kaum untermauern. Es gibt aber ein paar Hinweise, die für das Vorhandensein implizierter Strukturen sprechen. So entdeckten Forscherinnen und Forscher der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und der Technischen Universität München durch eine statistische Auswertung zwei bisher wenig beachtete Effekte: den Sättigungseffekt und den Ersetzungseffekt. Sättigungseffekt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Besetzung einer weiteren Führungsposition mit einer Frau umso unwahrscheinlicher wird, je höher der Anteil von Frauen in Führungspositionen bereits ist. Der Ersetzungseffekt beschreibt, dass Frauen vor allem dann eine Chance auf eine Führungsposition haben, wenn eine Frau eine Führungsposition abgibt. Wenn Männer ausscheiden, profitieren Frauen hingegen nicht davon.

MINT-Mangel: Karrierekiller Studienwahl?

Es gibt noch einen weiteren Erklärungsansatz für den vergleichsweise geringen Frauenanteil in Führungspositionen: Frauen entscheiden sich seit Jahrzehnten deutlich seltener für das Studium eines MINT-Fachs als Männer. Laut dem Research-Portal statista lag ihr Anteil 2020 bei 29 %. Relevant ist das insofern, weil ein Abschluss in einem MINT-Fach zusätzlich für eine Führungsposition qualifizieren könnte. Der 10. DAX-Vorstandsreport des Beratungsunternehmens Odgers Berndtson bestätigt diesen Zusammenhang allerdings kaum: Von den männlichen Vorständen in DAX-40-Unternehmen haben 55 % Wirtschaftswissenschaften studiert, 18 % eine Ingenieurswissenschaft und 15 % eine Naturwissenschaft. Bei den Frauen sind 60 % Wirtschaftswissenschaftlerinnen, 6 % sind Ingenieurinnen und 17 % sind Naturwissenschaftlerinnen. Das zeigt zum einen, dass vor allem eine Business-Ausbildung zählt. Zum anderen ist die Differenz zwischen Männern und Frauen gering: 88 % der Männer haben Wirtschaftswissenschaften, eine Ingenieurswissenschaft oder eine Naturwissenschaft studiert. Bei den Frauen sind es mit 83 % fast genauso viele.

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Keine Eindeutigkeit ist keine Entschuldigung

Was heißt das nun aber alles für Sie als HR-Verantwortliche – vorausgesetzt, Ihr Unternehmen strebt mehr Frauen in Führungspositionen an (wofür es eine Reihe guter Gründe gibt)? Weil die verschiedenen Studien keine eindeutigen Erklärungen liefern oder die Gründe gesellschaftlicher Art sind, lassen sich auch keine konkreten Maßnahmen ableiten. Wer keine Lust auf eine Veränderung dieses Zustands hat, kann die fehlende Eindeutigkeit der Studienergebnisse hervorragend als Ausrede dafür anführen, einfach nichts zu tun.

So kann HR unterstützen

Wer aber etwas daran ändern möchte, findet trotz der schwierigen Ausgangslage ein paar sinnvolle Ansatzpunkte. Wenn sich beispielsweise mehr Frauen als Männer dafür entscheiden, Care-Arbeit zu leisten, statt ihre Karriere voranzutreiben, hängt das häufig mit dem unzureichenden Betreuungsangebot zusammen. Die bestehenden Lücken können Unternehmen gezielt schließen und so für mehr Flexibilität und eine höhere Sicherheit sorgen. Möglich ist auch, eine partnerschaftliche Verteilung von Zeit in der Familie und Zeit im Job zu forcieren. Wie das geht, macht das Gesundheitsunternehmen Roche mit seiner Initiative „Das ElternPlus“ vor. Wenn beide Elternteile zwischen 70 und 80 % arbeiten, gibt es eine finanzielle Förderung.

Die gläserne Decke zum Einsturz zu bringen, ist deutlich anspruchsvoller – weil sie kein institutionelles, sondern ein individuelles Phänomen ist. Natürlich können wir als Personalverantwortliche einen Rahmen für die angestrebte Unternehmenskultur setzen. Gegen tradierte und oftmals unbewusste Einstellungen wirken explizite Regeln aber genauso wenig wie gegen informelle Routinen. Umso wichtiger ist es, sich das mögliche Vorhandensein einer gläsernen Decke bei der Neubesetzung von Führungspositionen bewusst zu machen. Hilfreich ist außerdem, die Sicht der Mitarbeiterinnen kennenzulernen, die als Führungskräfte in Frage kommen: Fühlen sie sich ausreichend berücksichtigt oder ausgeschlossen und übergangen?

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