Vier-Tage-Woche: smarter arbeiten
Von HR HEUTE-Redaktion · 3 Minuten Lesezeit
Können wir die Arbeit, die wir an fünf Tagen erledigen, in vier Tagen schaffen? Erste Pilotversuche zur Vier-Tage-Woche zeigen, dass das möglich ist.
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass: So ließen sich die Ergebnisse einer Studie [1] aus dem Jahr 2023 zur Vier-Tage-Woche (4TW) zusammenfassen. Vier Fünftel der befragten Vollzeitbeschäftigten sprachen sich für eine Reduktion der Arbeitszeit und einen freien Tag mehr aus – allerdings würden knapp drei Viertel der Teilnehmenden dafür keinen Lohnverzicht in Kauf nehmen. Das entspricht dem Konzept einer „echten“ Vier-Tage-Woche: Sie „reduziert die Arbeitszeit um einen Tag, bei einer klassischen 40-Stunden-Woche also auf 32h, bei vollem Gehaltsausgleich.“[2] Das Modell wird auch „100-80-100“ genannt. Das steht für
- 100 % des Gehalts,
- 80 % der Zeit und
- 100 % Performance.
Wie soll es aber möglich sein, in vier Fünfteln der Zeit das gesamte Arbeitspensum zu erledigen? Und inwiefern profitieren Arbeitgeber davon?
Vier-Tage-Woche erhöht Arbeitgeberattraktivität
Auf den ersten Vorteil weist bereits die Studie hin: Viele Mitarbeitende wollen die Vier-Tage-Woche. „Eine Verbesserung der subjektiven Zeitautonomie stellt dabei zugleich als wichtiger Aspekt von Arbeitgeberattraktivität einen Mehrwert bei der Gewinnung von Fachkräften dar“[3], so die Verfasser. Neben Wettbewerbsvorteilen auf dem Arbeitsmarkt verspricht ein Tag mehr für Kinder, Haushalt und Freizeit eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In dieser Hinsicht kann es das Arbeitsklima verbessern.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für Mitarbeiter immer wichtiger. Was braucht es, damit das Zusammenspiel für alle gelingt?
Organisationen, die im Rahmen einer Pilotstudie[4] die Vier-Tage-Woche eingeführt haben, nannten als Hauptgründe:
- Steigerung der Arbeitgeberattraktivität,
- Verbesserung der Gesundheit der Mitarbeitenden,
- Produktivitätswachstum und
- Zukunftsorientierung
Vier-Tage-Woche bei gleicher Produktivität?
Es mag verwundern, dass Arbeitgeber sich von einer Reduzierung der Arbeitszeit eine Produktivitätsseigerung versprechen. Dahinter steckt der Gedanke, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeit neu und effektiver organisieren müssen, um sie schneller zu erledigen. „In jedem Unternehmen gibt es Ineffizienzen, viele davon werden so oft wiederholt, dass sie zur Gewohnheit oder gar zum Ritual werden. Es braucht einen Systemschock, um diese hart erlernten Verhaltensweisen zu verändern. Die 4TW kann dabei im Unternehmen eine transformative Rolle einnehmen, weil sie dazu zwingt, diese Ineffizienzen zu erkennen und zu beseitigen.“[5]
In jedem Unternehmen gibt es Ineffizienzen, viele davon werden so oft wiederholt, dass sie zur Gewohnheit oder gar zum Ritual werden. Es braucht einen Systemschock, um diese hart erlernten Verhaltensweisen zu verändern.
Vier-Tage-Woche dank Digitalisierung
Im Rahmen einer Pilotstudie wurden auf Organisationsebene verschiedene Maßnahmen priorisiert, um die Einführung der Arbeitszeitverkürzung erfolgreich zu gestalten. Die Hauptansprechpartner*innen der Organisationen bewerteten dabei folgende Maßnahmen als sehr relevant oder relevant:
- 84 %: Anpassung der Arbeitsprozesse,
- 69 %: Veränderung der Meetingkultur,
- 56 %: Reduzierung von Ablenkungen,
- 41 %: Einführung digitaler Hilfsmittel.
Auf Basis dieser Priorisierungen setzten die Mitarbeitenden individuelle Maßnahmen um, um die verkürzte Arbeitszeit in ihrem Arbeitsalltag zu bewältigen. Dazu gehörten:
- 63 %: Prozessoptimierungen,
- 52 %: Anpassungen der Meetingkultur,
- 32 %: Einführung von Fokuszeiten,
- 64 %: Reduzierung von Ablenkungen,
- 25 %: Nutzung von Digitalisierungspotenzialen.
Die verhältnismäßige Zurückhaltung bei den digitalen Hilfsmitteln, die nur halb so häufig genannt werden wie die Arbeitsprozesse, ist laut New-Work-Forscher Dr. Carsten C. Schermuly symptomatisch. Er konstatiert: „Die Personaler und die Personalprozesse scheinen mir in vielen Organisationen noch keinen positiven Zugang zur Digitalisierung gefunden zu haben. Der CEO lobt den CTO, wenn Urlaubsanträge ab Ende des Jahres über eine App eingereicht werden können und die Faxgeräte aus den Amtsstuben verschwinden. Die Digitalisierung von HR-Prozessen und der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Zusammenarbeit löst bei viel HRlern mehr Unbehagen als Neugier aus.
Im 21. Jahrhundert werden manche Unternehmen die Digitalisierung in ihren Arbeitsprozessen umfänglich nutzen. Sie werden ihren Mitarbeitenden durch neue Technologien von unnötigem und langweiligem kognitiven Ballast befreien. Die geschaffenen Freiräume werden sie für zwischenmenschliche Begegnung und Kreativität nutzen. Diese Unternehmen werden florieren und erfolgreich sein. Die anderen werden weiterhin googeln.“[6]
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Vier-Tage-Woche: in weniger Zeit mehr schaffen
Um eine Vier-Tage-Woche zu leben, geht es vor allem darum, den „unnötigen und langweiligen kognitiven Ballast“ loszuwerden. Die Digitalisierung von HR-Prozessen bietet dazu einen wirkungsvollen Hebel, ebenso wie die Restrukturierung und Digitalisierung diverser Prozesse über die Fachabteilungen hinweg. Insgesamt ist es den Organisationen, die an der Pilotstudie teilgenommen haben, gelungen, den weggefallenen Arbeitstag zu kompensieren. Zwar nannten lediglich 12 der 43 Teilnehmer Umsatz- und Gewinnzahlen. Bei dieser kleinen Gruppe lagen die durchschnittlichen Werte der Versuchsmonate leicht über denen der Vergleichsmonate aus dem Vorjahr. Aussagekräftig ist vor allem die Produktivität, denn diese „kann gesteigert werden, indem bei gleichem oder sogar höherem Output weniger Input verwendet wird“.[7] Die Produktivität wurde in der Studie zum einen über eine Selbsteinschätzung in Form einer Befragung des Topmanagements ermittelt. Auch hier gingen die Werte leicht nach oben. Zum anderen ermittelten die Autoren, wie sich die Mitarbeitenden fühlen. Das Fazit: „Nach der Einführung der 4TW erhöhte sich das Arbeitstempo signifikant, während keine wesentlichen Änderungen der Arbeitsbelastung beobachtet wurde.“[8]
Erfolgsfaktoren für die Vier-Tage-Woche
„Wie bei den meisten Change-Initiativen gehören auch hier Kommunikation und Austausch zu den wichtigsten Faktoren.“[9] So gilt es etwa, den Mitarbeitenden die Sorge zu nehmen, ihre Aufgaben in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit nicht bewältigen zu können. Hier sind Sie als Personalerin gefordert, gemeinsam mit den Betroffenen konkrete und praktikable Lösungen zu entwickeln, die an den oben genannten Punkten ansetzen.
Das Geheimnis guter Mitarbeitergespräche
Mitarbeitergespräche haben sich aufgrund digitaler Tools in den letzten Jahr grundlegend verändert. Was sind die Erfolgsfaktoren und worauf gilt es zu achten?
„Die größten und nachhaltigsten Produktivitätssteigerungen wurden von Unternehmen erzielt, die bei der Umsetzung einen Bottom-up-Ansatz gewählt haben, der es den Mitarbeitenden ermöglicht, die für die Neugestaltung ihrer Arbeit erforderlichen Änderungen der Arbeitsabläufe selbst zu erarbeiten.“[10] Dabei lohnt es sich, vor allem das Thema „Meetings“ noch einmal kritisch zu hinterfragen: Wie sinnvoll und produktiv sind die Termine?
Prozesse sind nicht in Stein gemeißelt
Viele Regelungen sind denkbar, beispielsweise der Abruf von E-Mails zu bestimmten Zeiten, sodass die Mitarbeitenden diese nacheinander bearbeiten und sich im Anschluss wieder konzentriert und ungestört anderen Tätigkeiten widmen können. Als wichtig hat sich herausgestellt, im Gespräch zu bleiben und Vorgehensweisen gegebenenfalls anzupassen. Wenn es Ihnen gelingt, die Arbeit zu verdichten, ohne die Kolleginnen und Kollegen zusätzlich zu belasten, hat der freie Freitag, Montag oder Mittwoch gute Chancen, sich zu einem Wettbewerbsvorteil auf dem Fachkräftemarkt zu entwickeln.
[2] Jan Bühren, Nina Meier-Hahasvili, Carsten Meier und Gregor Kalchthaler: Die Vier-Tage-Woche. In: Inka Knappertsbusch, Gerlinde Wisskirchen (Hrsg.): Die Zukunft der Arbeit. New Work mit Flexibilität und Rechtssicherheit gestalten, 107-113, S. 108
[4] Backmann, J., Hoch, F., Hüby, J., Platz, M., Sinnemann, M.F., 2024, “Die 4-Tage-Woche in Deutschland: Erste Ergebnisse des deutschen Pilotprojekts zur Arbeitszeitreduzierung,” Intraprenör, Berlin, DE.
[5] Jan Bühren, Nina Meier-Hahasvili, Carsten Meier und Gregor Kalchthaler: Die Vier-Tage-Woche. In: Inka Knappertsbusch, Gerlinde Wisskirchen (Hrsg.): Die Zukunft der Arbeit. New Work mit Flexibilität und Rechtssicherheit gestalten, 107-113, S. 109
[6] https://newmanagement.haufe.de/en/organisation/new-work-utopia
[7] Backmann, J., Hoch, F., Hüby, J., Platz, M., Sinnemann, M.F., 2024, “Die 4-Tage-Woche in Deutschland: Erste Ergebnisse des deutschen Pilotprojekts zur Arbeitszeitreduzierung,” Intraprenör, Berlin, DE, S. 25
[8] Ebd. S. 26
[9] Jan Bühren, Nina Meier-Hahasvili, Carsten Meier und Gregor Kalchthaler: Die Vier-Tage-Woche. In: Inka Knappertsbusch, Gerlinde Wisskirchen (Hrsg.): Die Zukunft der Arbeit. New Work mit Flexibilität und Rechtssicherheit gestalten, 107-113, S. 110
[10] Ebd.Hören und lesen Sie mehr zum Thema
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