Mann läuft über Straße und jongliert mit Bällen

Resilienz

Alles was Sie über Resilienz wissen müssen

Alles zum Thema Resilienz: Definition, Rolle von HR, Risiko- und Schutzfaktoren, 7-Säulen-Modelle uvm.

Was versteht man unter Resilienz?

Resilienz (von lateinisch resilire: abprallen, nicht anhaften) ist ein Begriff, der eigentlich aus der Psychologie kommt. Gemeint ist damit so etwas wie „Anpassungsfähigkeit“ oder Widerstandskraft eines Menschen. Aber auch allgemein, wie Menschen auf Herausforderungen oder Veränderungen in ihrem Umfeld reagieren, also beispielsweise auf Stress, soziale Konflikte, Verluste, Karriere-Rückschläge und dergleichen.

Wie so häufig im Bereich der Psychologie, gibt es eine große Bandbreite an unterschiedlichen Definitionen, da viele verschiedene Autoren sich an eigenen Formulierungen versucht haben. Im Kern geht es aber in diesem Kontext immer um dasselbe: die Fähigkeit, die eigene psychische Gesundheit auch bei Widrigkeiten aufrechtzuerhalten.

Warum brauchen wir Resilienz?

Nur mit einer starken Resilienz können wir verlässlich auf unsere Fähigkeiten und Kompetenzen zugreifen. Denn wenn wir Stress empfinden, wird im Gehirn das limbische System aktiviert, das für die Emotionen zuständig ist. Parallel dazu wird aber der Bereich im Gehirn, der für die Steuerung von Emotionen und für angemessenes Handeln zuständig ist (nämlich der präfrontale Cortex), ein Stück weit heruntergefahren. Heißt, wir spüren bei Stress besonders starke Emotionen, verlieren aber unsere normalerweise vorhandenen Fähigkeiten, wie etwa diplomatisches Handeln, nüchternes Überlegen, sachliches Diskutieren. Man kennt das: Je emotionaler eine Diskussion, desto lauter und oftmals bald auch persönlicher wird sie, statt auf der Sachebene zu bleiben.

Mit einer starken Resilienz können wir diesen Effekt abmildern, behalten Zugriff auf unsere Fähigkeiten und können so auch in schwierigen Situationen handlungsfähig bleiben. Man kann das zum Beispiel an Formel-1-Fahrern sehen, die auch bei im Prinzip lebensbedrohlicher Geschwindigkeit mit ihren Teams noch über Funk über die richtige Strategie diskutieren können.

Warum ist Resilienz so relevant im HR?

Schutz und Sicherung des Wohlbefindens der eigenen Mitarbeitenden ist einerseits gesetzlich im Arbeitsschutz in Form der Fürsorgepflicht verankert, was durch Urteile des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Arbeitszeit nochmals gestärkt wurde. Andererseits liegt dies aber auch in der moralischen Verantwortung von Unternehmen. Eine resiliente Belegschaft hat darüber hinaus ganz nüchtern betrachtet viele kaufmännische bzw. wirtschaftliche Vorteile. Sorgen doch Stress, mentale Hürden, Sorgen, Ängste und viele weitere psychische Belastungen für Ablenkung, höhere Fehlerquoten, geringere Motivation, schlechte Kommunikation und vieles mehr bis hin zu psychischen Erkrankungen mit langen Ausfallzeiten, von Burn-out bis Depression: bekanntermaßen eine der häufigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit.

Die Resilienz zu erhöhen, sollte also zu den ureigensten Aufgaben jeder Personalabteilung zählen. Denn jegliche Bemühungen um eine positive „Employee Experience“, um gute Führungskultur, um Personalentwicklung und nahezu sämtliche andere HR-Erfolge bringen nichts, wenn die Menschen nicht gesund und dadurch nicht voll arbeitsfähig sind.

Schlimmer noch: Schlechte Prozesse, schlechte Stimmung, schlechte Führungskultur erhöhen die Stressfaktoren sogar und verringern damit die Möglichkeit zur Resilienz. Also ja, schlechte Führungskräfte sind letztlich auch für höhere Krankenstände verantwortlich.

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EMPLEOX Sales Director Justine Kleindienst über „Empathische Führung“

Welche Rolle spielt Resilienz in der modernen Arbeitswelt von VUCA oder BANI?

Egal ob man jetzt VUCA (volatile, uncertain, complex, ambiguous) oder BANI (brittle, anxious, non-linear, incomprehensible) für die zutreffende Beschreibung der heutigen Welt hält, in beiden Fällen wird deutlich, dass sie voller stressbegünstigender Faktoren ist: voller Unsicherheit, unerwarteten Herausforderungen bei gleichzeitig hoher Komplexität, die nüchterne Konzentration benötigt. Resilienz ist also letztlich das, was wir in eben dieser Welt benötigen, um damit halbwegs klarzukommen. Sich anpassen zu können, um sich wieder sicher zu fühlen und sich von Unsicherheit und Wechselhaftigkeit nicht vereinnahmen zu lassen.

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Woher kommt Resilienz und wie bildet sie sich?

Insgesamt ist die Resilienzforschung recht uneins, was denn jetzt genau wie zusammenhängt und welche die wesentlichsten Treiber von Resilienz sind, doch kurz gefasst kann man Folgendes dazu feststellen:

Resilienz ist wohl nicht in dem Sinne angeboren und auch keine „statische“ Eigenschaft, sondern bildet sich heraus und ist somit auch veränderbar und in gewissem Rahmen auch erlernbar. Dennoch ist es wie so oft im Leben, nicht alle haben die gleichen Chancen und Voraussetzungen. So richtig gut erforscht ist das Thema noch nicht, aber von einem gewissen Einfluss genetischer Veranlagungen ist auszugehen, etwa in Bezug auf die Ausschüttung und den Transport von Serotonin. Daneben spielen soziale Faktoren wie familiäre Unterstützung, Freundschaften, stabile materielle Verhältnisse und dergleichen eine Rolle, ebenso wie persönliche Faktoren wie Kreativität oder Intelligenz, aber auch wie extro- oder introvertiert man ist, was sich wiederum in der Häufigkeit der Sozialkontakte spiegelt, siehe oben.

Was sind typische Risikofaktoren (Stressoren) im Arbeitsalltag?

Die relevantesten Resilienzmodelle sagen im Prinzip aus, dass die Gesundheit gesichert wird, wenn die Schutzfaktoren die Risikofaktoren überwiegen. Für Unternehmen macht es daher absolut Sinn, sich diese beiden Faktoren bewusst zu machen, um sie gezielt abschwächen bzw. stärken zu können. Sowohl Risiko- als auch Schutzfaktoren lassen sich jeweils nochmals aufteilen in individuelle und organisationale Faktoren.

Individuelle Risiken sind beispielsweise Erwartungen an sich selbst (z. B. Perfektionismus, Angst vor Fehlern, keine Hilfe annehmen zu können), Überlastung durch zu viel Verantwortung, fehlende Delegation oder ständige Erreichbarkeit, genauso wie zu wenig Schlaf oder Regeneration. Aber auch Zwickmühlen oder innere Konflikte, wie sie beispielsweise entstehen, wenn z. B. die sympathischere Person die schlechtere Leistung erbringt und daher enttäuscht werden muss, weil man unangenehme Entscheidungen  bis hin zur Kündigung aufgrund notwendiger Kostensparmaßnahmen treffen muss.

Organisationale Risiken sind ebenfalls vielfältig: angefangen bei den naheliegenden Faktoren wie (zu) hohe Anforderungen, Druck durch Vorgesetzte oder fehlende Unterstützung über ineffiziente Arbeitsabläufe, ungenaue Vorgaben, mangelnde Wertschätzung, Informationsflut, unzureichende Kommunikation, unklare Ziele, schlechte Feedbackkultur bis hin zu diversen Umgebungsfaktoren wie mangelhafte Büroausstattung oder fehlende Schutzausrüstung.

Es wird schnell deutlich, dass ein Großteil der organisatorischen Risikofaktoren in den Zuständigkeitsbereich von Personalabteilungen fällt. Das macht das Thema auch so relevant, denn leider gibt es hier vielfach Nachholbedarf. Schließlich erzeugen mangelnde Führungs- oder Feedbackkultur, schlechte Zielsysteme, unzureichende Personalausstattung, Prozessineffizienzen oder wenig sinnvolle Strukturen Stress bei den Menschen in der Organisation. Eine Vernachlässigung solcher essenzieller HR-Themen ist damit zumindest zu einem Teil mitverantwortlich für hohe Krankenstände, schlechte Leistung oder eine allgemein unzufriedene Belegschaft.

Welche Schutzfaktoren gibt es?

Auch hier kann man wieder zwischen individuellen und organisatorischen oder auch teambezogenen Faktoren unterscheiden.

Individuelle Resilienz-Faktoren sind  positive Emotionen wie beispielsweise Freude, Bestätigung, Wertschätzung, Komplimente oder Erfolg, Sinnhaftigkeit der Tätigkeiten, aber auch das Gefühl der Machbarkeit, soziale Unterstützung, Lösungs- und Zielorientierung sowie ein gesundes Selbstwertgefühl.

Organisationale Resilienz-Faktoren sowie Team-Resilienz-Faktoren wiederum sind Dinge wie Klarheit von Rollen und Aufgaben, Zugehörigkeitsgefühl, Sicherheit im Teamgefüge oder auch das Gefühl, einbezogen und ein wichtiger Teil des Erfolgs zu sein. Auch geteiltes Wissen, eine gemeinsame Vision und gemeinsame Ziele, eine ermutigende Führungskraft sowie ein gelegentlicher Wechsel zwischen Hochbelastungs- und Erholungsphasen, in denen auch mal akzeptiert wird, wenn jemand nicht Höchstleistung erbringt.

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Was stärkt die Resilienz?

So unterschiedlich die Stressoren bzw. Risiko- und Schutzfaktoren, so unterschiedlich auch die Maßnahmen. Es gab und gibt immer wieder Versuche, hier allgemeingültige „Erfolgsrezepte“ zu definieren bzw. die wichtigsten Charaktereigenschaften herauszuarbeiten, die es für starke Resilienz braucht. Recht bekannt sind die „7 Säulen der Resilienz“ von Ursula Nuber. Diese lauten:

  • Optimismus
  • Akzeptanz
  • Lösungsorientierung
  • Opferrolle verlassen
  • Verantwortung übernehmen
  • Netzwerkorientierung
  • Zukunftsplanung

Doch auch hieran gibt es Kritik, genau wie es zahlreiche andere Modelle gibt, die zum Teil ebenfalls 7 Säulen, aber andere Begriffe verwenden.

Einige Punkte, die sich regelmäßig in solchen Modellen finden und von Experten genannt werden, werden im folgenden Abschnitt genauer beschrieben. Manche davon sind leichter gesagt als getan, sie aber alleine schonmal zu kennen, kann gerade als Personalerin oder Personaler wertvoll sein, um gezielt darauf hinwirken zu können. Etwa in der eigenen Vorbildfunktion, durch Schulungs- oder Informationsveranstaltungen oder mittels Sensibilisierung von Führungskräften für eine transparente Kommunikation:

  • Akzeptanz von Dingen/Umständen, die man selbst nicht ändern kann

Es hilft nicht, darüber zu lamentieren und sich schlecht zu fühlen, man kann selber nicht alles ändern. Weder Kriege verhindern noch Wirtschaftskrisen oder auch im Kleinen, dass der Kollege XY halt ist wie er ist. Daran zu verzweifeln und sich in „Es wäre so toll, wenn …“ zu verlieren, raubt nur Kraft. Die Situation ist wie sie ist; damit muss man jetzt umgehen und darauf reagieren. Seine Kraft dahingehend zu bündeln, was man in der gegebenen Situation tun kann, hilft bei der Fokussierung.

  • Selbstfürsorge – Bewusstsein bzgl. der eigenen Bedürfnisse

Zu wissen, was man selbst will, mag, braucht etc., ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um diese Bedürfnisse dann auch kommunizieren zu können, gegenseitiges Verständnis zu schaffen, aber vor allem auch, sich gezielt selbst helfen zu können, wenn man in eine Stresssituation gerät: Also bewusst tun, was einem in solchen Phasen guttut. Dazu gehören beispielsweise auch gezielte Pausen oder längere Auszeiten. Oftmals erscheint es einem gerade in Stresssituationen so, dass „keine Zeit für Pausen“ wäre. Nur macht genau dieses Verhalten es noch schlimmer, man wird noch unproduktiver, schafft noch weniger und hat dadurch noch mehr Stress.

  • Klare Verantwortungen

Unsicherheit ist ein wichtiger Stressor. Das betrifft eben auch Fragen, wer eigentlich wofür verantwortlich ist. Muss ich das jetzt machen oder macht XY das? Was, wenn dies und jenes passiert, wer kümmert sich dann? Solche Fragen zu klären und zu kommunizieren, mindert einen wichtigen Stressfaktor.

  • Lernen zu fokussieren und auch bewusst zu defokussieren

Sich auf ein konkretes Problem zu fokussieren, um nicht vom Gefühl erdrückt zu werden, es wäre alles zu viel, ist ein wichtiger Faktor, um Hindernisse nach und nach abzubauen. Aber auch das Gegenteil, die Defokussierung, also bewusst NICHT auf ein einzelnes Problem zu schauen, sondern sich davon zu entfernen, das „große Ganze“ zu betrachten, „über den Tellerrand zu schauen“ und sich dadurch zu öffnen für Aspekte, die helfen könnten, ist eine wichtige Technik. Beides muss man aber erst einmal bei sich selber erkennen und im zweiten Schritt zu beeinflussen lernen, da der Mensch instinktiv zuerst auf das akuteste Problem fokussiert.

  • Physische Maßnahmen (Atmung, Körperhaltung, Bewegung etc.)

Es gibt auch eine Reihe von physischen Techniken, um das eigene Stressverhalten zu steuern. Von Atemübungen, dem bewussten „Ruhig durchatmen!“, über gezielt eingenommene Körperhaltungen zur Selbstwahrnehmung (z. B. selbstbewusst aufrecht: „Ich schaffe das!“) bis zu der der Traumatherapie entlehnten „Selbstumarmung“ zur Stärkung des eigenen Wohlgefühls.

  • Dankbarkeit praktizieren und positive Emotionen bewusst machen

Gerade in Krisenzeiten kann man leicht in eine Negativspirale rutschen: „Alles ist schlecht.“ Umso wichtiger, gerade hierzu gezielt Gegenpunkte zu setzen. Sich bewusst zu machen, wofür man dankbar ist. Was man „trotz allem“ geschafft hat. Stolz auch auf kleine Schritte oder gar auf die Verhinderung einer „noch schlechteren“ Situation zu sein. Einfach positive Emotionen wie eben Dankbarkeit, Stolz, Zufriedenheit zulassen bzw. sogar bewusst erleben.

Was kann man als HR tun?

Das ist natürlich ein sehr vielfältiges Thema. Zusammenfassend gesagt: Stressoren abbauen, Schutzmaßnahmen stärken.

Zunächst geht es erstmal darum zu identifizieren, wie es den Mitarbeitenden geht und welche Themen sie vielleicht besonders stressen. Also die klassische Mitarbeitendenbefragung.

In einem zweiten Schritt, diese Stressoren nach Möglichkeit zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren. Egal, ob es um ungeliebte Prozesse geht, beispielsweise solche mit nervigem administrativem Aufwand, um Leistungskontrolle oder Zielvorgaben, um Kommunikation oder Führungsverhalten oder um andere Umstände, die Mitarbeitende stressen. Von Lautstärke im Großraumbüro über Nicht-Verfügbarkeit von Besprechungsräumen und unbequeme Bürostühle bis hin zu schlechter Kommunikation. Oder was auch immer die Befragungen und Analysen ergeben haben.

Der dritte Baustein ist konsequenterweise der gezielte Aufbau von Schutzfaktoren. Hier etwa durch Schulungen, um Wissen sowie Techniken zu vermitteln, Führungskräfteentwicklung oder auch die Schaffung neuer Möglichkeiten wie die Einrichtung eines Fitnessraums bis zu Employee Assistance Programmen.

Die Liste möglicher Maßnahmen ist lang und sollte nicht ausschließlich von HR, sondern gemeinsam mit einem etwaig vorhandenen Gesundheitsmanagement, dem Betriebsrat und der Geschäftsführung erarbeitet werden.