Von HR HEUTE-Redaktion · 3 Minuten Lesezeit
Jeder Arbeitgeber trägt Verantwortung für seine Beschäftigten. Aber wie weit reicht die Fürsorgepflicht?
Der Arbeitsvertrag ist unterschrieben – und somit die rechtliche Grundlage, die das Arbeitsverhältnis bestimmt, festgelegt. Beschäftigte und Arbeitgeber gehen damit eine komplexe Rechtsbeziehung ein, die durch eine Vielzahl von wechselseitigen Pflichten und Rechten gekennzeichnet ist. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bildet dabei einen zentralen Punkt, doch ist nicht immer klar, worin diese im Einzelfall besteht.
Während sich die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten leicht benennen lassen, erscheint es um einiges schwieriger, sich die Nebenleistungspflichten, welche nicht einmal einer konkreten Vereinbarung bedürfen, vor Augen zu führen. Und dabei spielen gerade diese, insbesondere aber die darunter fallende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, eine ausgesprochen wichtige Rolle im Arbeitsalltag.
Um etwaige Schadensersatzansprüche von Beschäftigten von vornherein auszuschließen, sollten Arbeitgeber daher regelmäßig prüfen, ob sie ihrer Fürsorgepflicht auch nachkommen.
Was ist darunter zu verstehen?
Unter der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers versteht man ganz allgemein die Verpflichtung, dass der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen treffen muss, welche die Entstehung eines Schadens oder sonstige Beeinträchtigungen auf Seiten der Beschäftigten verhindern.
Was fällt alles darunter?
Angesichts der vielfältigen Arbeitsverhältnisse ist im Grunde keine abschließende Auflistung aller Pflichten des Arbeitgebers möglich. Sie müssen also für jeden Einzelfall gesondert bestimmt werden. Dabei wird auf die Vorschriften des BGB, des Arbeitsrechts und bestimmter Verordnungen, wie zum Beispiel die Gefahrstoffverordnung, zurückgegriffen. Besonders zu erwähnen sind das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitszeitgesetz sowie die explizite Hinweispflicht des Arbeitgebers in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III.
Bei der Klärung, worin die Fürsorgepflicht im Einzelnen besteht, sollten sich Arbeitgeber generell bewusst machen, dass es vor allem darauf ankommt, die physische und psychische Integrität der Beschäftigten zu gewährleisten.
- So muss ihre körperliche Gesundheit besonders geschützt werden. Dazu gehört, dass ein sicherer Arbeitsplatz eingerichtet und instand gehalten wird und dass vorsorgliche Maßnahmen getroffen werden, um Gesundheitsschäden zu verhindern. So darf zum Beispiel im Büro nicht geraucht werden, und auf einer Baustelle sind Helme zu tragen.
- Ebenso ist der Arbeitgeber verpflichtet, psychischen Belastungen vorzubeugen oder diese, falls sie eingetreten sind, zu beheben. Es sind daher Konflikte zu lösen (z. B. Mobbing) und Benachteiligungen zu vermeiden.
- Den Arbeitgeber trifft auch eine allgemeine Sorgfaltspflicht. Er ist verpflichtet, die Angelegenheiten des Arbeitsverhältnisses, insbesondere die Rechte der Beschäftigten, sorgfältig umzusetzen und dabei die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu wahren.
- Daher muss er auch für Schäden an notwendigerweise mitgebrachten Gegenständen der Mitarbeitenden haften.
Gilt die Fürsorgepflicht auch im Homeoffice?
Spätestens seit der Pandemie stellt sich die Frage, ob die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht sich auch auf die Arbeit im Homeoffice erstreckt. Hier gilt grundsätzlich: Die Verantwortung des Arbeitgebers im Sinne der oben genannten Punkte entsteht völlig unabhängig von dem jeweiligen Arbeitsort der Beschäftigten und endet somit nicht „an der Haustür“. So hat der Arbeitgeber aufgrund der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes etwa auch dafür Sorge zu tragen, dass die vorgeschriebenen Arbeits- und Pausenzeiten am heimischen Arbeitsplatz genauso eingehalten werden wie im Betrieb. Und der Arbeitgeber trägt die Verantwortung, dass der Arbeitsplatz im Home Office im engeren Sinne nicht gesundheitsgefährdend ist, also zum Beispiel Schreibtisch und PC-Bildschirm die üblichen Standards erfüllen.
Nicht ganz so eindeutig lässt sich die Frage beantworten, inwiefern der Arbeitgeber für Schäden haftet, die im Homeoffice entstehen. Denn eigentlich stellt ja gerade die Gewährleistung eines sicheren Arbeitsplatzes zum Schutz der Beschäftigten vor gesundheitlichen Schäden einen zentralen Aspekt der Fürsorgepflicht dar. Beim Homeoffice besteht nun die Besonderheit, dass es sich dabei, wie der Name schon sagt, um das Zuhause der Mitarbeitenden handelt. Und im juristischen Sinn erscheint es wiederum lebensfremd, eine Verletzung, die beispielsweise beim Kochen entstanden ist, als Arbeitsunfall auf den Arbeitgeber abzuwälzen.
Aber: Unfall ist nicht gleich Unfall. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 08.12.2021 könnte für Unfälle im Home Office richtungsweisend werden. Das Gericht entschied, dass der Weg vom Bett ins Home Office zur erstmaligen Arbeitsaufnahme als versicherter Betriebsweg zu werten und daher gesetzlich unfallversichert ist. Es kommt also auf die genauen Umstände an und es bleibt abzuwarten, wie sich das Thema Unfälle im Home Office weiter entwickeln wird.
Im Interesse der Rechtsklarheit sollten Arbeitgeber von der Möglichkeit Gebrauch machen, gerade im Fall weitreichender Homeoffice-Regelungen einschlägige Pflichten individualvertraglich zu vereinbaren.
Wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt
Bei einer Fürsorgepflichtverletzung können Beschäftigte gegebenenfalls Schadensersatz oder Gleichstellung mit anderen Beschäftigten verlangen. Schadensersatzansprüche bestehen jedoch nur verschuldensabhängig. Zu beachten ist, dass zwar gegebenenfalls das eigene Verschulden des Arbeitgebers (§ 276 BGB) ausscheiden wird, dieser sich jedoch das Verschulden eines seiner ArbeitnehmerInnen im Rahmen der Haftung für Erfüllungsgehilfen nach § 278 I BGB zurechnen lassen muss.
Es kann sich zudem ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch von Beschäftigten auf Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung durch den Arbeitgeber ableiten.
Wichtig: Sofern die Verletzung der Fürsorgepflicht darin besteht, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Zustand herbeiführt oder aufrechterhält, obwohl ihm dessen Beseitigung möglich wäre, kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Er/sie kann mithin die geschuldete Arbeitsleistung verweigern, bis der Arbeitgeber die gesetzmäßigen Arbeitsbedingungen hergestellt hat. Dieser gerät in Annahmeverzug und bleibt somit zur Entgeltzahlung verpflichtet.
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