Recruiting als zentraler Hebel für den Unternehmenserfolg
Von Bianca Lampart · 4 Minuten Lesezeit
Zeiten der Veränderung verlangen auch vom Recruiting, die besagte Extrameile zu gehen. Wie das gelingt, verraten unsere Recruiting-Trends 2023.
Die Nachwehen der Pandemie sind noch spürbar, da rollen schon die nächsten Herausforderungen auf das Recruiting zu.
Zum Dauerthema Fachkräftemangel und dem immer relevanter werdenden Thema „Generation Z“ gesellt sich jetzt die Energie- und Wirtschaftskrise.
Etablierte Maßnahmen der Personalbeschaffung müssen daher dringend auf den Prüfstand gestellt werden. Worauf genau hat sich das Recruiting für 2023 einzustellen? Hier unser Überblick:
Recruiting-Trend 1: Jede Stelle zählt – die wachsende Bedeutung von Power Skills
Wie heftig die Rezession ausfallen wird, weiß noch keiner, doch sehr wahrscheinlich wird sie auch am Personalbereich nicht spurlos vorübergehen.
Vieles wird sich 2023 also um Budgets, Stellenkontingente und -freigaben drehen. Wenn Unternehmen restriktiver mit externen Stellenbesetzungen umgehen, sie zur Mangelware bzw. „Luxus“ werden, stehen diese wenigen Stellen noch stärker im Fokus als sonst. Heißt: Jede einzelne freigegebene Einstellung muss sitzen. Und am besten möglichst viele Punkte von der „Bedarfsliste“ auf einmal abdecken. Wo in Normalzeiten vielleicht zwei Personen eingestellt würden, muss jetzt erst mal eine reichen.
Unternehmen müssen daher anders an das Recruiting herangehen. Weder die Fähigkeiten eines möglichen Vorgängers noch irgendwelche spröden Stellenbeschreibungen sind geeignete Vorlagen.
Überhaupt, in unserer dynamischen und sich schnell verändernden VUCA- bzw. BANI-Welt hat Fachexpertise ein immer schnelleres Verfallsdatum. Soft Skills sind die wahren Erfolgsfaktoren, davon berichteten wir bereits in unseren Recruiting-Trends 2022. Die wichtigsten davon, die „Power Skills“, rücken nun immer mehr in den Fokus.
Unter den Top 5 werden sich wohl Dinge wie
- Kreativität
- Innovationsfähigkeit
- Kommunikationsgeschick
- emotionale Intelligenz und
- Anpassungsfähigkeit
wiederfinden. Denn hierbei handelt es sich um Eigenschaften, die die Mitarbeitenden selbst und das Unternehmen als Ganzes in einem sich ständig wandelnden Arbeitsumfeld resilient machen.
Diese Power Skills sollten daher in eine erfolgreiche Recruiting-Strategie integriert werden und sich vom „Feeling“ her im gesamten Recruiting-Prozess, von der Stellenanzeige, über die Bewerbung derselbigen bis zum Jobinterview, widerspiegeln.
Bei knappen Budgets sind Personalabteilungen außerdem gut beraten, genaue Kenntnis darüber zu haben, auf welchen Kanälen sich eine Stellenanzeige überhaupt lohnt. Höchste Zeit, das Thema HR-Analytics auszubauen.
Recruiting-Trend 2: Internationale Talentsuche – Krise zur Chance machen
Der Fachkräftemangel erfordert eine Weitung des Blickwinkels. Ein möglicher Hebel: internationale Talentsuche.
Das mag auf den ersten Blick abschreckend klingen, muss in der Praxis aber gar nicht so schwierig sein. Für Staatsangehörige der EU-Mitgliedsstaaten besteht Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. D. h., Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis sind per se nicht erforderlich. Und für Drittstaatenangehörige sorgt seit März 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) für Erleichterungen bei der Einwanderung nach Deutschland. Das gilt insbesondere für Fachkräfte mit beruflicher, nicht-akademischer Ausbildung.
Ganz vermeiden lässt sich die Bürokratie zwar nicht, doch vereinfachte Fachkräfteverfahren, die Abschaffung der Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit und die Zugangsöffnung über Mangelberufe hinaus räumen einige Hürden aus dem Weg.
Das unlängst von der Bundesregierung vorgestellte erste Migrationspaket, welches zum Januar 2023 in Kraft treten soll, hält zudem weitere Erleichterungen bereit und kann Arbeitgebern interessante Optionen bieten. Auch für geflüchtete UkrainerInnen gelten aktuell übrigens vereinfachte Verfahren für Aufenthalt und Arbeitsaufnahme.
In unseren Recruiting-Trends 2022 sprachen wir davon, dass die Themen Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion zunehmend wichtiger für Bewerbende werden. Mit der Beschäftigung von qualifizierten Ausländern, Geflüchteten oder Geduldeten können Sie nicht nur wichtige Signale setzen, sondern auch den Fachkräftemangel abmildern.
Recruiting-Trend 3: Eine aktive Community zum Talentpool entwickeln
Zentrale Aufgabe des Recruitings ist es, offene Stellen schnell und kompetent zu besetzen. In herausfordernden Zeiten wie den heutigen gelingt dies einfach besser, wenn RecruiterInnen aus einem Kandidatenpool schöpfen können. Sie sollten sich daher gut überlegen, wie sie einen erfolgversprechenden Pool für sich schaffen können. Und der wird eher nicht aus Karteileichen bestehen bzw. aus einer Liste von abgesagten BewerberInnen.
Es geht vielmehr darum, ein aktives Netzwerk aufzubauen, auf das das Recruiting jederzeit zugehen kann. Bemühen Sie sich um Interaktion mit möglichen KandidatInnen und nutzen Sie vor allem proaktive BewerberInnen, die Ihnen signalisieren, dass sie gerne für Ihr Unternehmen arbeiten würden. Pflegen Sie eine eigene Community: Lassen Sie den Talenten regelmäßig Firmen-News zukommen, vernetzen Sie sich mit ihnen auf Social Media und greifen Sie zwischendurch einfach mal zum Telefonhörer, um zu erfahren, wie es den Talenten geht und wo sie beruflich gerade stehen.
Und ganz nach dem Motto „Man sieht sich immer zweimal im Leben“ kann es durchaus sinnvoll sein, auch zu (ausgewählten) ehemaligen Mitarbeitenden, Auszubildenden, PraktikantInnen und StudentInnen etc. auf ähnliche Weise Kontakt zu halten oder sie bei Alumni-Veranstaltungen zusammenzubringen.
Hörempfehlung:
Podcast
Ex-Mitarbeitende - Aus und vorbei - oder Zielgruppe fürs Comeback?
Pro & Contra - Recruiting unter Ehemaligen
Und sollte ob der aktuellen Gegebenheiten ein bereits angelaufener Auswahlprozess ins Stocken geraten oder sogar ganz gestoppt werden, so kommunizieren Sie offen, damit Intransparenz Ihre motivierten KandidatInnen nicht unnötig vergrault. Denn wer wirklich für Sie arbeiten möchte, wartet vielleicht auch noch eine Weile, wenn er sich von Ihnen gut umsorgt fühlt.
Recruiting-Trend 4: Employer Brand erlebbar machen mit Corporate Influencing
In der heutigen Arbeitswelt werden die Wünsche nach sinnstiftender Arbeit, bei der man sich gleichzeitig auch als Arbeitnehmer*in wohlfühlt, immer stärker – Stichwort Purpose. Insbesondere, aber nicht nur, bei der „Generation Z“, die zunehmend den Arbeitsmarkt betritt. Bewerbende wollen immer mehr wissen, wie es sich „anfühlt“, für dieses oder jenes Unternehmen zu arbeiten.
Zunehmenden Einfluss hat dabei Ihre Social-Media-Präsenz, zum Beispiel auf LinkedIn. Und damit ist nicht der Unternehmensaccount mit seinen von Marketing und Kommunikation glattgebügelten Werbepostings gemeint. Sondern der Eindruck, den Außenstehende dort durch die Mitarbeitenden erhalten. Wie sie das Unternehmen tatsächlich „erleben“.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei wie immer auf Social Media die „Influencer“. Also Menschen mit größerer Reichweite. Es empfiehlt sich daher, die Geschäftsführung sowie relevante KollegInnen aus allen Fachbereichen als Corporate Influencer zu gewinnen, um das Unternehmen nach außen zu repräsentieren. Befähigen Sie Ihre Beschäftigten zu (informellen) Geschichtenerzählern und Ihr Top-Management zu Meinungsführern, sodass Ihre Kultur für Außenstehende greifbar wird.
Menschen interessieren sich für Menschen: Wie gehen Kollegen und Kolleginnen auf LinkedIn miteinander um? Welchen Ton schlagen sie an? Wie reagiert die Geschäftsführung auf ihre Mitarbeitenden und umgekehrt? Was wird geteilt und wie locker über Dinge gesprochen?
Für 2023 empfiehlt es sich, an einer Social-Media-Strategie zu arbeiten und die Unternehmenskultur auf das Thema Corporate Influencing vorzubereiten:
- Überlegen Sie sich, wer sich von seinen Fähigkeiten und dem Mindset her besonders als Corporate Influencer eignet.
- Starten Sie mit einer kleinen Gruppe von Influencern und schulen Sie sie entsprechend.
- Schaffen Sie einen sicheren Rahmen für Ihre Corporate Influencer, aber verzichten Sie auf zu detaillierte Regeln, die Kreativität und Spaß blockieren.
- Und denken Sie daran, dass Corporate Influencing Arbeitszeit ist!
Recruiting-Trend 5: Die zukünftige Rolle des Recruiters – quo vadis?
Wir stellen diesen Trend, welcher eher eine Richtungsdebatte ist, an den Schluss, da die vorhergehenden Aspekte einen guten Ausgangspunkt für die Diskussion bieten.
Das Feld des Recruitings wird immer umfangreicher. Während das Active Sourcing – einer unserer Trends 2022 – beispielsweise anfänglich vom Recruiter nebenher erledigt wurde, ist es mittlerweile zu einem eigenen Job geworden. Es stellt sich daher die Frage, wie sich die Rolle des Recruiters in Zukunft entwickeln wird.
Zwei Gegenpole scheinen sich herauszukristallisieren:
- Der Recruiter mit ganzheitlicher Verantwortung
Hier ist der Recruiter für den gesamten Prozess bis zur erfolgreichen Einstellung verantwortlich, ganz ähnlich einem Headhunter. Er trägt die Verantwortung für die Qualität des Recruiting-Prozesses und ist neben dem Fachbereich mitverantwortlich für eine langfristig erfolgreiche Stellenbesetzung. Folglich benötigt der Recruiter umfassendes Wissen zu Branche, Unternehmen, aufnehmender Abteilung, Stelleninhalte und -anforderungen. Gleichzeitig konzipiert er ansprechende Stellenanzeigen und weiß potenzielle KandidatInnen gezielt anzusprechen. - Der Recruiter als Spezialist
Hier ist der Recruiter vom Aufgabengebiet und Typ her eher ein Verkäufer. Er ist ein guter Netzwerker, kann gut auf Menschen zugehen und hat einen gefälligen Schreibstil, um auf Social Media attraktive Posts abzusetzen. Tiefes Wissen zur ausgeschriebenen Stelle ist nicht zwangsläufig erforderlich. Stattdessen liegt der Fokus darauf, Menschen anzuziehen und auf das Unternehmen aufmerksam zu machen. Sei es auf Social Media, per Telefon, E-Mail oder Face-to-Face auf Jobmessen und Ausstellungen.
Zwei unterschiedliche, strategische Ansätze. Wohin wird das Pendel ausschlagen? Quo vadis, Recruiting?
Was macht einen erfolgreichen Recruiter aus?
Wie denkt eigentlich ein umtriebiger Recruiting-Spezialist, Berater und Blogger über die aktuellen Trends & Themen? Im Interview mit Henrik Zaborowski.
Fazit
Recruiting 2023 ist nichts für Eremiten. Das Repertoire, das RecruiterInnen bedienen müssen, wird immer breiter und steht ganz im Zeichen einer gelingenden Candidate Experience.
Sollten RecruiterInnen schon immer gute Menschenkenner sein, so müssen sie heute zudem überzeugende Kommunikatoren und auch auf Social Media sicher unterwegs sein. Englischkenntnisse sind von Vorteil, wenn es um internationale Talentsuche geht.
Unterstützung kommt von Kolleginnen und Kollegen aller Fachbereiche, die als Corporate Influencer die Unternehmenskultur auf Social-Media-Kanälen für potenzielle Bewerber erlebbar machen.
Das Recruiting 2023 hat viel vor!
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