Hand mit Armbanduhr auf Laptoptastatur

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht

Typische Arbeitszeitverstöße und -besonderheiten

Arbeitszeitverstöße sind kein Kavaliersdelikt. Es geht um die Gesundheit der Mitarbeitenden. Und im Ernstfall um viel Geld.

„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ ist zumindest beim Thema Arbeitszeit – kein guter Ratgeber. Denn: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz werden mit Bußgeldern von bis zu 15.000 Euro geahndet. Bei vorsätzlichen Verstößen kann je nach Schweregrad sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verhängt werden. Wichtig hierbei:

Da das Arbeitszeitgesetz dem Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden dient, trägt der Arbeitgeber die Verantwortung für dessen Einhaltung. D. h., er allein haftet bei Verstößen. Konkret können beispielsweise leitende Angestellte oder Abteilungsleitungen zur Rechenschaft gezogen werden. Also alle Personen, die Weisungen für den Arbeitgeber erteilen und für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen werden können.

Da nicht selten Führungskräfte beim Thema Arbeitszeit im Ernstfall die Schuld von sich weisen dürften und vorwurfsvoll auf die HR-Abteilung zeigen, sollten Sie als Personaler/in vorbeugen. Kümmern Sie sich frühzeitig darum, Bewusstsein für die Problematik zu schaffen, um Arbeitszeitverstöße gar nicht erst zum Problem werden zu lassen. Im Folgenden einige typische Fälle, die gerne übersehen oder vergessen werden:

1. Arbeitszeitverstoß: Höchstarbeitszeit

Der Klassiker: Der Kollege Schulz ist krank und dann kommt auch noch eine wichtige Reklamation rein. Von der dringenden Kundenanfrage ganz zu schweigen. Konsequenz: Ihr Mitarbeiter Müller knipst nach einem 12-Stunden-Tag als Letzter das Licht aus. Ausnahmsweise.

Laut Arbeitszeitgesetz nicht zulässig. Denn: Es sind stets zwei Höchstgrenzen zu beachten. Die maximale Wochenarbeitszeit zum einen und die arbeitstägliche Arbeitszeit zum anderen. Während die sich auf Werktage von Montag bis Samstag beziehende Wochenarbeitszeit von 48 Stunden auch auf eine 5-Tage-Arbeitswoche verteilt werden kann, findet die Arbeitszeitflexibilisierung an der täglichen Höchstarbeitszeit von 8 bzw. 10 Stunden ihre Grenzen.

Heißt: Montag bis Donnerstag je 10 Stunden und am Freitag 8 Stunden arbeiten geht mit dem Arbeitszeitgesetz konform. Die max. Wochenarbeitszeit von 60 Stunden (48 Stunden plus 12 zulässige Überstunden) auf 5 Tage umlegen geht nicht, da die maximale werktägliche Arbeitszeit von 10 Stunden überschritten würde. Die tägliche Arbeitszeit ist hier maßgebend, denn ansonsten könnten bei einer 3-Tage-Woche (Montag, Mittwoch und Freitag) bis zu 20 Stunden täglich gearbeitet werden. Doch das ist nicht im Sinne des Erfinders.

Und noch eines: Die Aufstockung der täglichen Arbeitszeit von 8 auf max. 10 Stunden ist nur zulässig, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden nicht überschritten werden.

Mehr als 10 Stunden Arbeitszeit sieht das Gesetz nur vor, wenn die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst enthält.

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2. Arbeitszeitverstoß: Ruhezeiten

Leben, um zu arbeiten oder arbeiten, um zu leben. Darüber lässt sich philosophieren. Keinerlei Diskussion gibt es allerdings bei der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit: Zwischen Beendigung eines Arbeitstages und Beginn des nächsten Arbeitstages müssen mindestens 11 Stunden liegen.

Achtung ist also geboten, wenn ein Mitarbeiter nach einem erfolgreichen Geschäftsessen um 22 Uhr schnell noch seine Kollegin anruft, um vom freudigen Vertragsabschluss zu berichten und sie gemeinsam noch schnell die To-dos für den nächsten Morgen, 7.30 Uhr, besprechen. Aufgepasst: Frühester Arbeitsbeginn der beiden ist 9.00 Uhr. Denn: Der beiläufige Anruf zählt als Arbeitszeit. Erst danach beginnt die (ununterbrochene) 11-stündige Ruhezeit.

Und noch etwas kann immer mal wieder zu Diskussionen führen: Zählt das eingangs erwähnte Geschäftsabendessen zur Arbeitszeit oder ist es Privatvergnügen? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Gehören Geschäftsessen zum Aufgabenspektrum dazu oder hat die Führungskraft die Teilnahme angeordnet, so handelt es sich um Arbeitszeit. Überwiegt die Pflege von sozialen Kontakten, spricht einiges dafür, dass es sich um Frei- bzw. Ruhezeit handelt.

Seit der Pandemie hat auch das Thema Homeoffice neue Dimensionen erreicht. Die Remote-Zusammenarbeit mag der Zufriedenheit der Mitarbeitenden durch höhere Flexibilisierung zuträglich sein, stellt aber nicht nur eine Herausforderung für die Führungskultur oder die soziale Integration dar, sondern auch für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Denn dieses gilt auch hier. Die Lebensrealität vieler im Homeoffice erfasst das Arbeitszeitgesetz aber nur bedingt. Von 7 bis 12 Uhr arbeiten, dann die Kinder betreuen und sich anschließend noch mal von 20 bis 22 Uhr an den Rechner setzen, ist zwar hinsichtlich der zulässigen Arbeitszeit in Ordnung, allerdings wird die 11-stündige Ruhepause so nicht eingehalten.

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3. Arbeitszeitverstoß: Sonn- und Feiertagsruhe

An Sonn- und Feiertagen besteht laut Arbeitszeitgesetz ein generelles Beschäftigungsverbot. Ausnahmen wie beispielsweise für Not- und Rettungsdienste, Feuerwehr, Krankenhäuser, öffentliche Verkehrsmittel etc. sind gesetzlich geregelt. Wer an Sonn- und Feiertagen arbeiten muss, hat Anspruch auf mindestens 15 freie Sonntage im Jahr.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bei der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde einen Antrag auf Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen z. B. für folgende Ausnahmefälle zu stellen:

  • max. 10 Sonn- und Feiertage im Jahr im Handel (z. B. für verkaufsoffene Sonntage)
  • 1 Sonntag im Jahr zur Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Inventur
  • max. 5 Sonn- und Feiertage im Jahr zur Abwendung eines unverhältnismäßigen Schadens

Was bedeutet der zuletzt genannte „unverhältnismäßige Schaden“? Ganz einfach: Der Schaden muss so hoch und seine möglichen wirtschaftlichen Folgen müssen so gravierend sein, dass das Arbeiten an Sonn- oder Feiertagen gerechtfertigt ist. Das bedeutet, eine plötzliche Auftragshäufung gehört nicht dazu, wohl aber ein drohender Produktionsstillstand, wenn unerwartet notwendige Reparaturen ausgeführt werden müssen.

Denken Sie bei der Beantragung von Sonn- und Feiertagsarbeit auch daran, Ihren Betriebsrat frühzeitig mit ins Boot zu holen, da sich die zuständige Aufsichtsbehörde i. d. R. auch seine entsprechende Stellungnahme einholt.

Also: Am Sonntagabend zum Messegelände fahren, um den Messestand aufzubauen, damit für Montag alles picobello ist, ist keine gute Idee – zumindest nicht ohne Ausnahmegenehmigung.

Ähnlich wie bei der Mehrarbeit sind im Übrigen auch für Sonn- und Feiertagsarbeit Ersatzruhetage zu gewähren: für Sonntage innerhalb von zwei Wochen, für Feiertage innerhalb von acht Wochen. Die Rede ist übrigens von vollen Ersatzruhetagen. Sollten Mitarbeitende am Sonntag lediglich zwei Stunden arbeiten, so ist dennoch ein voller Ersatzruhetag zu gewähren. Aber Achtung: Dieser Ersatzruhetag kann auch auf einen (ansonsten arbeitsfreien) Samstag gelegt werden, da der Samstag ein Werktag gemäß Arbeitszeitgesetz ist.

4. Besonderheiten

Soweit die allgemeinen Arbeitszeitregeln. Kommen wir zu ein paar Besonderheiten:

Nebentätigkeit

Unterhält Ihre Arbeitnehmerin bzw. Ihr Arbeitnehmer einen Zweitjob bei einem anderen Arbeitgeber, ist in Summe sowohl die maximal zulässige Arbeitszeit als auch die Ruhezeit von 11 Stunden einzuhalten. Was gilt, wenn Mitarbeitende z. B. nebenberuflich selbstständig sind? Erstreckt sich doch das Arbeitszeitgesetz nur auf abhängige Beschäftigungen. Ein eigenes Gewerbe zu betreiben, ist per se erst einmal zulässig, solange es nicht in Konkurrenz zum Hauptarbeitgeber steht. Aber: Wird die Selbstständigkeit übermäßig betrieben, kann auch diese unzulässig sein. Nämlich dann, wenn vor lauter Übermüdung nicht mehr ohne Einschränkungen den arbeitsrechtlichen Pflichten beim Hauptarbeitgeber nachgekommen werden kann.

Unser Tipp: Verpflichten Sie Mitarbeitende im Rahmen des Arbeitsvertrages, Ihnen eine etwaige Nebentätigkeit oder Selbstständigkeit anzuzeigen. So können Sie bei kritischen Zeitkonstellationen entsprechend eingreifen. Und prüfen Sie am besten jeden Einzelfall individuell.

Dienstreisen

Hier wird es insbesondere bei der Reise- und Fahrtzeit interessant.

Faustregel: Bei der Bewertung, was bei einer Dienstreise als Arbeitszeit gilt und was nicht, wird auf das zu nutzende Transportmittel abgestellt und darauf, wie die Mitarbeitenden die Reisezeit verbringen dürfen oder müssen.

Unterwegs per Flugzeug oder öffentlichen Verkehrsmitteln:
Da die Reisenden das Transportmittel nicht selbst lenken, ist ausschlaggebend, was sie während der Reise machen. Sind sie angehalten zu arbeiten (z. B. eine Präsentation erstellen), so gilt die Fahrtzeit als Arbeitszeit. Ist es den Reisenden selbst überlassen und sie lesen beispielsweise einen Roman, schlafen oder schauen aus dem Fenster, so ist die Reisezeit als Freizeit zu werten.

Unterwegs im Auto:
Szenario: 2 Mitarbeiter gemeinsam im Auto auf dem Weg zum Kunden, Fahrtzeit 3 Stunden. Für den Fahrer sind diese 3 Stunden Arbeitszeit, da er das Fahrzeug lenkt und aktiv am Straßenverkehr teilnimmt, für den Beifahrer i. d. R. Freizeit.

5. Bonuspunkt: Besonders schutzwürdige Personengruppen

Nicht vergessen: Für besonders schutzwürdige Personengruppen, wie z.B. schwangere und stillende Frauen, Jugendliche unter 18 Jahren und Schwerbehinderte, gibt es teilweise besondere Bestimmungen und arbeitszeitliche Einschränkungen, insbesondere bezogen auf die zulässige Höchstarbeitszeit, Mehrarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit.

Fazit

In puncto Arbeitszeit gilt das Credo „Nach bestem Wissen und Gewissen“ schon lange nicht mehr. Arbeitgeber sind schon heute verpflichtet, Überstunden, Mehrarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit zu dokumentieren und die Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

Doch das ist noch nicht alles: In 2019 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass zukünftig die gesamte tägliche Arbeitszeit zu dokumentieren ist. Alle EU-Mitgliedsstaaten sind angehalten, diese Vorgabe in entsprechendes nationales Recht umzusetzen. Im September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil ferner klargestellt, dass diese Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung tatsächlich eigentlich bereits seit dem EuGH-Entscheid besteht. Auch wenn die konkrete Ausgestaltung vom Gesetzgeber noch nicht festgelegt ist, eines ist klar: Arbeitgeber werden sich früher oder später in der einen oder anderen Form um die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit kümmern müssen.

Und noch eines wird deutlich: Durch die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs werden Arbeitszeitverstöße für Aufsichtsbehörden zukünftig transparenter, eine entsprechende Ahndung einfacher.

Übernehmen Sie im Sinne einer modernen Personalarbeit die Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Belegschaft: Klären Sie Ihre Mitarbeitenden und Führungskräfte über die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes auf, setzen Sie sich mit den verschiedenen Möglichkeiten und Systemen zur Arbeitszeitdokumentation frühzeitig und proaktiv auseinander und etablieren Sie eine Arbeitszeit-Compliance.

So fördern Sie nebenbei eine positive Employee Experience und stärken die Mitarbeiterbindung.

Leitfaden: Remote Work - Darauf kommt es an