Camper im Grünen und Mann mit Laptop

Workation: Zwischen Hype und Hürden

Arbeitsplatz im Ausland: Rechtliche Herausforderungen & Chancen. Yorka Sontowski von All for One Group erklärt, worauf zu achten ist.

Aus privatem Interesse den Arbeitsplatz vorübergehend ins Ausland verlagern: eine Vorstellung, die viele Arbeitnehmer*innen begeistert. Was oft nicht bedacht wird: Es gibt einige rechtliche Herausforderungen, über die man sich vorher Gedanken machen sollte. Yorka Sontowski, Global Mobility Manager bei der All for One Group, erzählt, wie die Umsetzung funktionieren kann und was es zu beachten gibt. 

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Yorka Sontowski

Yorka Sontowski ist seit mehr als 17 Jahren im internationalen Personalumfeld tätig. Aktuell arbeitet sie bei der All for One Group in Filderstadt als Global Mobility Managerin und berät Mitarbeiter und Führungskräfte zu allen Arten von grenzüberschreitender Arbeit.

Was ist überhaupt eine Workation?

Das Wort Workation setzt sich zusammen aus Work und Vacation. Es soll ausdrücken, dass man nicht an seinem üblichen Ort arbeitet, sondern vorübergehend seinen Arbeitsort ins Ausland verlagert und dort Arbeit und Urlaub kombiniert. Wobei es kein Urlaub im eigentlichen Sinne ist, sondern es sind ganz normale Arbeitstage, bei denen man dann in seiner Freizeit zum Beispiel eine neue Umgebung erkunden kann, ohne sich extra dafür Urlaub nehmen zu müssen.

Warum wird es wichtiger für Unternehmen, sich mit dem Thema Workation zu beschäftigen?

Das Thema eignet sich sicherlich nicht für alle Unternehmen, aber als IT-Beratung sind wir in einer Branche tätig, in der es für die meisten Angestellten rein theoretisch möglich ist, dort zu arbeiten, wo sie wollen – solange sie die technische Ausrüstung und stabiles Internet haben und innerhalb der in Europa üblichen Arbeitszeiten erreichbar sind. Daher war es bei uns auch schon vor der Corona-Pandemie üblich, zumindest tageweise von zu Hause aus zu arbeiten. Während Corona haben wir dann festgestellt, dass es in den meisten Fällen sehr gut funktioniert, wenn ein großer Anteil der Beschäftigten remote arbeitet.

Da viele Mitarbeitende Verwandte und Freunde im Ausland haben oder sehr reiseinteressiert sind, hat das natürlich zu dem Wunsch geführt, auch von einem anderen Land aus arbeiten zu können, und das Thema wurde immer häufiger bei People & Culture angefragt. Wir haben daraufhin überlegt, was wir diesbezüglich anbieten können. Gerade im IT-Bereich sind wir mit Fachkräftemangel konfrontiert und haben die technischen Voraussetzungen zum ortsunabhängigen Arbeiten. Deshalb müssen wir uns höheren Erwartungen an innovative und flexible Arbeitsmodelle stellen.

Warum halten sich viele Unternehmen bei dem Thema zurück?

Das hängt mit der Komplexität der Rechtsfolgen zusammen. Normalerweise gelten für ein Arbeitsverhältnis immer die Rechtsvorgaben des Landes, in dem Sie angestellt sind und in dem sich dieses Arbeitsverhältnis überwiegend abspielt. Haben Sie z.B. einen deutschen Arbeitsvertrag und arbeiten Sie in Deutschland, gilt für Sie u.a. das deutsche Arbeits-. Sozialversicherungs- und Steuerrecht. Sobald Sie Ihren Arbeitsort ins Ausland verlagern, und sei es auch nur vorübergehend, eröffnet sich ein internationaler Sachverhalt und Sie müssen zusätzlich noch das Recht des anderen Landes sowie internationales Recht mitberücksichtigen.

Innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz gibt es zwar gemeinsame Richtlinien, die dies regeln, allerdings wurden diese überwiegend für den Fall konzipiert, dass die Arbeit aus dem Ausland auf Weisung des inländischen Arbeitgebers erfolgt, wie dies beispielsweise bei einer klassischen Entsendung der Fall ist. Oder sie wurden dafür aufgesetzt, dass Arbeitnehmer ins Ausland gehen, um dort vor Ort für einen lokalen Arbeitgeber zu arbeiten.

Bei einer klassischen Workation ist aber beides nicht der Fall. Hier steht das rein private Interesse des Arbeitnehmers im Vordergrund, und die Arbeit erfolgt aus dem Ausland heraus für einen inländischen Arbeitgeber auf rein digitaler Basis. Und dieses rein private Interesse wird in den einschlägigen Richtlinien oder Gesetzen meist nicht berücksichtigt, da die Mehrheit aus einer Zeit stammt, in der es überhaupt noch gar nicht möglich war, in dieser Form länderübergreifend zu arbeiten; es gab schlicht nicht die technischen Mittel. Diese Ortsunabhängigkeit und die damit verbundene Flexibilität wurden erst durch die fortschreitende Digitalisierung möglich.

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Was gilt es bei Ihnen im Unternehmen noch zu beachten?

Angestellte, die gerne eine Workation machen wollen, müssen dies zuerst mit dem Vorgesetzten abstimmen und dann einen Antrag bei Global Mobility stellen. Diesen Prozess halten wir sehr einfach entlang festgelegter Kriterien, die uns die Arbeitnehmer*innen bei Antragstellung bestätigen müssen. Außerdem gibt es einen besonderen Prüfprozess für bestimmte Umstände, wie z.B., wenn jemand einen Wohnsitz im Workation-Land hat oder einer besonderen Gruppe wie den oben genannten Vertrieblern angehört.

Außerdem muss gewährleistet sein, dass die gleiche Arbeitsleistung erbracht wird. Also muss auch die Arbeitsumgebung passen und die Mitarbeiter*innen sind dafür verantwortlich, dass der Workation-Ort über einen angemessenen Internetzugang verfügt und die übliche Erreichbarkeit garantiert ist. Außerdem nehmen wir den Datenschutz sehr ernst. Dies ist auch ein Grund, warum wir die Workation auf die EU-/EWR-Länder begrenzen, da hier die DSGVO gilt. Grundsätzlich sehen wir das Programm als Bonus eines modernen Unternehmens, glauben aber auch, dass das Thema durch digitale Nomaden und Freelancer gehypter ist als es sich für „normale“ Angestellte darstellt. Denn dadurch, dass wir erwarten, dass während der Workation grundsätzlich dieselbe Arbeitsleistung und Arbeitszeit wie zuhause erbracht werden, ist bei Angestellten nicht die gleiche Flexibilität gegeben, die oft bei den einschlägigen Darstellungen im Internet vorgegaukelt wird. Trotzdem kann es eine gute Möglichkeit sein, außerhalb der normalen Urlaubszeit und während des Feierabends andere Gegenden zu entdecken oder mehr Zeit mit lieben Menschen in einem anderen Land zu verbringen.

Welchen Rat haben Sie für andere Unternehmen?

Ich empfehle, sich zunächst zu überlegen, ob das eigene Unternehmensmodell dazu geeignet ist, eine Workation anzubieten, und inwiefern man bereit ist, gesetzliche Unschärfen in Kauf zu nehmen. Dann sollte man die Zielgruppe festlegen und sich bewusst sein, dass nicht immer alle davon profitieren können – wie geht man etwa mit denen um, die in der Produktion arbeiten und den Arbeitsplatz nicht wechseln können?

Sehr wichtig ist auch, genaue zeitliche und räumliche Grenzen für eine Workation festzulegen und die möglichen Länder und einen Maximalzeitraum vorzugeben. Vertrauen Sie lieber nicht auf Informationen aus dem Internet. Diese sind oft von professionellen Anbietern wie Hotels oder Agenturen und decken oft nicht alle zu betrachtenden Einzelheiten ab. Sollten Sie ein Programm aufsetzen wollen, machen Sie zunächst eine Risikobewertung, legen die Länder und den Zeitraum fest und lassen dann Ihr Vorhaben noch einmal durch eine professionelle steuer- und arbeitsrechtliche Prüfung laufen. Keinesfalls sollte man das Arbeiten aus dem Ausland ohne ein entsprechendes Programm bzw. eine entsprechende Policy erlauben.

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Was erwarten Sie für die Zukunft?

Ich glaube, dass das Thema für die Arbeitgeber an Relevanz gewinnt, da besonders bei jüngeren Arbeitnehmern eine höhere Erwartung an räumliche Flexibilität wahrnehmbar ist. Allerdings vermute ich, dass die Anpassung der gesetzlichen Vorgaben oder eine Flexibilisierung der länderübergreifenden Arbeit nicht auf der Prioritätenliste der einschlägigen Gesetzgeber steht. Im Gegenteil: Seit der langen Zeit, die ich bereits im internationalen HR-Umfeld tätig bin, beobachte ich eher die Tendenz zu einer noch größeren Bürokratisierung und kleinteiligeren Regelung, die die Gestaltung dieses Themas noch herausfordernder und aufwändiger machen wird.

Es bleibt abzuwarten, was Gerichte dazu eventuell entscheiden, aber erst einmal wird die Entscheidung weiterhin bei den Unternehmen liegen, ob sie den Gestaltungs- und Verwaltungsaufwand auf sich nehmen oder das länderübergreifende Arbeiten grundsätzlich ausschließen.

Danke Yorka für deine Zeit und das spannende Interview!

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