Sechseckige Steine mit Pfeilen in unterschiedlicher Richtung, dazwischen eine blaue Linie als Wegweiser

Strategische Personalplanung: Kapazitätslücken frühzeitig erkennen

Erfassen, planen und dann vorausschauend handeln: Strategische Personalplanung ist ein wichtiger Baustein gegen den Fachkräftemangel.


Vakanzen zu besetzen, gelingt heutzutage nicht mehr ad hoc. Im Gegenteil, die meisten Experten aus der Praxis berichten häufig von ca. 6 Monaten zwischen Bedarfsmeldung und Eintrittsdatum. Das belastet Unternehmen: Einerseits sorgt der Druck, offene Stellen zu besetzen, bei Personalern für Stress und erhöhten Zeitaufwand. Andererseits hindern nicht oder schlecht besetzte Positionen Unternehmen daran, ihre Strategie umzusetzen und ihre Ziele zu erreichen. Beides bietet Anlass, das Thema Personalbedarfserfassung und Maßnahmen zur Behebung von Personalengpässen langfristiger bzw. strategischer anzugehen, als es heute der Fall ist. Denn für viele Vakanzen gilt: Man hätte es ahnen können oder sogar damit rechnen müssen. Die „ad-hoc-Bredouille“ wäre zu vermeiden gewesen – Zeit für strategische Personalplanung.

Weshalb klappt es nicht mit der strategischen Personalplanung?

Im HR-Tagesgeschäft kann die Langzeitperspektive schnell untergehen. Aktuell offene Stellen zu besetzen, ist im Zweifelsfall wichtiger, als sich Gedanken darüber zu machen, welche Lücken in einigen Jahren drohen. Viele Personaler teilen darüber hinaus eine gewisse Skepsis gegenüber datengetriebenen Prozessen. Vielleicht auch deshalb, weil sich Wahrscheinlichkeiten intuitiv oft falsch anfühlen. Nehmen wir als plakatives Beispiel das Geburtstagsparadoxon, das die Maus auf der WDR-Seite [Link] anschaulich erklärt: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass von 23 Personen in einem Raum zwei oder mehr am selben Tag Geburtstag haben? Haben Sie eine Idee? Zwei Prozent, fünf, zwölf, noch mehr? Die Wahrscheinlichkeit liegt bei krassen 50,73 Prozent! Das zeigt, „gefühlte Wahrscheinlichkeiten“ sind keine guten Ratgeber. Doch wie lassen sich echte, datengetriebene Erkenntnisse in die Personalplanung einbeziehen? Und erste Schritte in die vorausschauende Personalarbeit unternehmen?

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Schritt 1: Big Picture – den Rahmen für Qualifikations- und Kapazitätsbedarf abstecken

Um Unternehmen zukunftssicher aufzustellen, führt an einer strategischen Personalplanung, die Wahrscheinlichkeiten einbezieht, kein Weg vorbei. Zwar lassen sich aus Wahrscheinlichkeiten nicht immer direkt Maßnahmen ableiten. Sie dienen aber als Hilfe, um Annahmen über die Zukunft zu gewichten und sich vorzubereiten. Dazu gilt es herauszufinden, wo Qualifikations- und Kapazitätslücken drohen. Der erste Schritt ist dabei die Analyse der eigenen Unternehmenspläne und des Marktes, um zukünftigen Bedarf zu schätzen:

  • Welche Strategien verfolgt Ihr Unternehmen und wie wirken sich diese auf den Personalbedarf aus? Sollen neue Geschäftsfelder erschlossen werden? Welche Kompetenzen werden dafür benötigt (quantitativ und qualitativ)?
  • Welche Prioritäten setzt Ihr Unternehmen langfristig? Plant das Management mit den bestehenden Standorten oder werden komplett neue aufgebaut? Wo will die Unternehmensführung investieren?
  • Wie stellt sich die Marktumgebung dar? Ist Ihr Unternehmen ein Innovationsführer, der über Jahre hinweg von seinem Technologievorsprung zehren wird? Bewegt es sich in einem engen Wettbewerbsumfeld? Gibt es Verteilungskonflikte um bestimmte Ressourcen?
  • Was sind die Treiber von Nachfrage? Welche Produktsegmente sollen ausgebaut werden? Sollen zusätzliche Services rund um Produkte angeboten werden? Wie sieht die langfristige Absatzprognose – heruntergebrochen auf verschiedene Geschäftszweige – aus?
  • Welche Budgets stehen langfristig zur Verfügung? In welche Bereiche wird das Unternehmen investieren?
  • Mit welchen Beschränkungen ist zu rechnen? Welche regulatorischen Anforderungen müssen berücksichtigt werden? Wie steht es um die Konformität mit ESG-Zielen? Inwiefern werden Nachhaltigkeitsberichtspflichten das unternehmerische Handeln beeinflussen?

Die Fragen ließen sich beliebig erweitern. Alles, was sich auf die Zukunft Ihres Unternehmens auswirkt, schlägt sich im Personalbedarf nieder. Je genauer das Lagebild, desto besser lassen sich die Personalanforderungen daraus ableiten: Wann wird wie viel Personal für welchen Aufgabenbereich benötigt? Mit welchen Produktivitätszielen lässt sich die Unternehmensstrategie umsetzen und wie würden verschiedene Strategien die Anforderungen beeinflussen? Und schließlich: Wie wirken sich all diese Faktoren auf die Personalkosten aus?

Schritt 2: Ausgangsbasis – Kapazität erfassen

Parallel gilt es, Ihre Belegschaft datengestützt zu analysieren, um den Ist-Stand sowohl in Sachen Qualifikation als auch in Sachen Kapazität zu erfassen. Vor allem aber, dies dann auch für die nächsten Jahre abzuschätzen, denn es gibt immer Abgänge und gleichzeitig entwickeln sich bestehende Mitarbeitende weiter (z. B. vom Junior zum Senior).

Bevorstehende Verrentungen zu berücksichtigen, fällt in der Regel noch leicht. Doch schon bei der Fluktuation hapert es dann häufig. Nicht nur, was die saubere Berechnung angeht, vor allem aber, sie auch als Prognose zu verwenden. Ein oft gehörter Satz lautet hier: „Das waren alles individuelle Fälle, daraus kann man nichts ableiten“. Nur, wenn jedes Jahr typischerweise 10 % der Belegschaft das Unternehmen verlassen, spielen die Gründe nicht die große Rolle, es wäre einfach fahrlässig, nicht wenigstens mit diesen 10 % an Ersatzbedarf in der Zukunft zu rechnen. Und ja, man könnte hier auch komplexe Prognose-Modelle anwenden, aber für den Anfang würde es schon reichen, Durchschnittswerte aus den letzten drei bis fünf Jahren fortzuschreiben. Natürlich wissen Sie dadurch nicht, welche Mitarbeitenden genau das Unternehmen verlassen werden, aber darum geht es bei dieser strategischen Sicht auch erst mal nicht.

Es wird aber auch deutlich, dass eine solche Herangehensweise vor allem bei größeren Unternehmen wirklich gut funktioniert. Wenn Sie 50 Vertriebler haben und durchschnittlich 10 % Fluktuation, dann können Sie durchaus mit der Annahme arbeiten, dass auch fünf Vertriebler das Unternehmen verlassen werden, und z. B. die Recruiting-Maßnahmen für Vertriebsstellen dauerhaft aufrechterhalten. Ob dann am Ende vier oder sechs Stellen tatsächlich auch ausgeschrieben werden müssen, ist nicht so entscheidend. Bei kleineren Teams funktioniert das weniger gut, denn hier macht es natürlich einen großen Unterschied, auf welche Bereiche die Abgänge letztlich konkret entfallen. Aber Abgänge sind ja (siehe Schritt 1) auch nur ein Teil der Prognose.

Verrentung und Fluktuation sind aber nicht die einzigen Faktoren, die berücksichtigt werden können. Grundsätzlich gilt: Je mehr Daten Sie auswerten, desto genauer die Prognose. Das können durchschnittliche Elternzeiten in bestimmten Altersgruppen sein oder Informationen, mit denen Sie die erwartete Fluktuation besser eingrenzen können, z. B. nach Bereich, Altersgruppe etc. Nur sollten Sie die Komplexität auch noch handhaben können.

Mindestens betrachtet werden sollte die Verteilung zwischen Junior- und Seniorrollen und wie viele von diesen Juniors sich typischerweise in ein, zwei oder drei Jahren in Seniors entwickelt haben werden. Denn diese verringern natürlich den zukünftigen Bedarf an Senior-Personal und erhöhen den von Juniors. Aus all diesen Faktoren ergibt sich dann ein genaueres Bild des zukünftigen Personalstands.

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Schritt 3: Der Wahrheit ins Auge blicken – Personallücken identifizieren

Sind die Daten erst einmal erhoben, ergibt sich aus prognostiziertem Bedarf und prognostiziertem Bestand die zu schließende Qualifikations- und/oder Kapazitätslücke. Diese regelmäßig zu prüfen und in die mittelfristige, operative Jahresplanung einzubeziehen, sollte dann als Routine etabliert werden. So kann man sich schon frühzeitig darauf einstellen, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit demnächst bestimmte Profile benötigt werden, und sich nicht erst damit beschäftigen, wenn die Kündigung tatsächlich eingeht. Daraus ergeben sich natürlich auch neue Möglichkeiten, denn wenn noch Zeit ist, Neueinstellungen zu entwickeln, führt dies zu einem größeren Kandidatenpool, als wenn jemand sofort einsatzbereit sein muss.

Je mehr Informationen Sie in der Planung auswerten, desto deutlicher treten zu erwartende Lücken zutage. Wie proaktiv Sie dann aktiv werden, sollte davon abhängen, wie groß das mit den zu erwartenden Engpässen verknüpfte Risiko ist. Hierzu gilt es zu bewerten, wie wichtig die jeweilige Funktion fürs Unternehmen und den Markt ist. Wie würde sich eine Vakanz an dieser Stelle intern und am Markt auswirken? Engpässe bei unternehmenskritischen Rollen sollten dann entsprechend priorisiert behandelt und vielleicht auch schon auf Wahrscheinlichkeitsbasis angegangen werden. In anderen Bereichen kann es eine Option sein, eine Unterbesetzung zu riskieren.

Schritt 4: In trockenen Tüchern – Personallücken gezielt schließen

Wo es sich anbietet, können Lücken intern geschlossen werden. Schauen Sie sich dazu das Angebot an Talenten an. Parallel gilt es zu prüfen, was der Arbeitsmarkt aktuell hergibt. Es gibt hier nicht den einen Königsweg. Durch die vorausschauende Planung haben Sie aber nun verschiedene Optionen und genügend Vorlauf, um das Unternehmen gut aufzustellen: Sie können Stellen frühzeitig ausschreiben. Gemeinsam mit der Geschäftsführung und Teamverantwortlichen lassen sich Entwicklungspläne schreiben. Wenn Sie beispielsweise in 3 Jahren eine bestimmte Anzahl von Senior-Ingenieuren brauchen, kann man diese natürlich in 3 Jahren versuchen am Markt zu gewinnen oder auch heute schon Junior-Stellen schaffen und diese dahin entwickeln. Man kann Ausbildungsprogramme starten oder auch umgekehrt durch Bindungsmaßnahmen, die sich gezielt auf die einzelnen Mitarbeitenden abstimmen lassen, die offene Flanke des Austrittsrisikos so gut wie möglich schließen.

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Strategische Personalplanung: Der Grundstein ist gelegt

Es lohnt sich, Zeit und Ressourcen in die Prognose der zu erwartenden Engpässe zu investieren. Wer weiß, was die Zukunft bringt, kann sich mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen darauf einstellen. Um auf das oben erwähnte Geburtstagsparadoxon zurückzukommen: Wenn in einem Raum drei HR-Verantwortliche zusammensitzen, die den Personalbedarf strategisch planen, wird das Unternehmen mit einer Wahrscheinlichkeit von hundert Prozent künftig besser aufgestellt sein als der Nachbarbetrieb, wo die Fachkollegen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. An welchem Tag sie Geburtstag haben, wissen wir allerdings nicht.

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