Matilda von Gierke

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Interview mit Zalvus-Gründerin Matilda von Gierke

Recruiting konkret - So erreicht man seine Kandidaten

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten. Im Gespräch mit Matilda von Gierke: Wie Sie selbst wechselunschlüssige Talente auf Ihr Unternehmen aufmerksam machen und Ihr Recruiting zum Erfolg wird. 

 

Viel liest man immer wieder über Fachkräftemangel. Wirklich gemeint ist oft "Bewerbermangel". Geben tut es die Fachkräfte meistens schon. Sie wollen nur nicht ihren Arbeitgeber wechseln. Oder haben es nicht nötig, aktiv zu suchen und sich durch dutzende gleichlautende Stepstone-Anzeigen zu wühlen.

Sie muss man anders erreichen. Motivieren. Inspirieren. Überzeugen, dass das Gras auf der anderen Seite vielleicht doch grüner ist. Es sich lohnt, Neues zu wagen.

Dafür reicht es nicht, seine 0815-Stellenanzeige auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen oder bei großen Stellenbörsen einzustellen. Sie muss man an anderer Stelle abholen, und dann überzeugen. Mit Informationen, die sie wirklich interessieren.

Wie das geht? Matilda von Gierke, Gründerin von Zalvus, über die Erkenntnisse aus über 150.000 ausgewerteten Kandidateninteraktionen mit Stellenanzeigen.

Über unseren Interview-Gast

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Matilda von Gierke

In ihrem "alten Leben" war die Gründerin und Geschäftsführerin der ZALVUS GmbH im HR-Advisory, in der Inhouse-Beratung und im traditionellen Headhunting tätig. Heute hat ihr 2015 gegründetes digitales Beratungsunternehmen über 20 Mitarbeiter. Zu Ihren Kunden zählen weit mehr als  200 mittelständische Unternehmen sowie zahlreiche Marktführer aus ganz Europa. Sie ist Expertin für innovative Geschäftsmodelle, digitale Transformation, Unternehmenskultur und New Work sowie datengetriebene Personalbeschaffung und teilt ihr Wissen erfolgreich auf internationalen Bühnen.

Dominik Josten: Hallo und herzlich willkommen im HR-Heute Podcast. Heute geht es um einen zentralen Baustein im Recruiting, nämlich um die Stellenanzeige. Auch wenn aktive Kandidatenansprache, auch als Active Sourcing bezeichnet, zunehmend wichtiger wird, wird nach wie vor kaum eine Stelle, von obersten Führungsebenen vielleicht mal abgesehen, ohne klassische Stellenanzeige besetzt. Viele Unternehmen verlassen sich sogar nach wie vor vollständig auf diese klassische, doch recht passive Form des Recruitings. Grund genug also, sich mal mit der Frage zu beschäftigen „was ist eigentlich das Geheimnis besonders attraktiver und damit letztlich erfolgreicher Stellenanzeigen?“.

Hierzu unterhalte ich mich heute mit einer absoluten Expertin auf diesem Gebiet. Sie hat vor einigen Jahren ein Unternehmen gegründet, das Methoden des Performance Marketings, also datengetriebenes und automatisiertes Targeting, mit Recruiting verbindet. Nach der Logik, ich hoffe sie nimmt mir den Vergleich jetzt nicht übel, „was für Konsumartikel wunderbar funktioniert, muss doch auch mit Stellenanzeigen klappen“, also die Werbung dahinbringen, wo die Kandidaten sind, auch wenn sie eigentlich gerade etwas ganz anderes machen. Durch ihre Tätigkeit für zahlreiche Unternehmen kommen eine Menge Daten zusammen, die sie mit ihren Mitarbeitern vor einiger Zeit zu einer großen Studie zusammengefasst hat und zahlreiche interessante Erkenntnisse über den Umgang von Kandidaten mit Stellenanzeigen liefert und entsprechende Handlungsempfehlungen bietet. Darüber wollen wir uns heute unterhalten und ich bin sicher, dass für jeden ein paar gute Tipps zur Verbesserung der eigenen Stellenanzeigen und des eigenen Recruitings dabei sind. Doch jetzt begrüße ich erstmal ganz herzlich die Gründerin und Geschäftsführerin von Zalvus, Matilda von Gierke. Hallo Matilda.

Matilda von Gierke: Hallo.

Dominik Josten: Matilda, vielen Dank, dass du da bist, das freut mich erstmal sehr, dass du dir die Zeit genommen hast.

Über Matilda von Gierke

Dominik Josten: Zum Einstieg, du hast es wahrscheinlich schon unzählige Male erzählt, aber damit die Zuhörer jetzt nicht parallel googlen müssen, sag doch vielleicht zunächst mal ein paar Worte über dich und dein Unternehmen. Wie kam es zu der Gründung, die ja jetzt schon 6 ½ Jahre zurückliegt, wenn ich richtig informiert bin, und was mich auch mal interessieren würde, war es eigentlich schwer, die ja doch häufig konservativen Personalabteilungen, davon zu überzeugen, ihr knappes Budget lieber in Facebook-Werbung z. B. zu stecken, statt in die großen Stellenbörsen wie „Stepstone“ oder „Monster“?

Matilda von Gierke: Ja, also vielen Dank, dass ich hier sein kann. Ich bin Matilda von Gierke, die Gründerin und Geschäftsführerin von Zalvus, wie du ja gerade vollkommen richtig schon gesagt hast. Ich habe einen Hintergrund im sehr, sehr klassischen Headhunting. Also ich habe in meinem alten Leben, wie ich immer sage, hauptsächlich die Xings und LinkedIns dieser Welt durchforstet, um eben an möglichst geeignete, qualifizierte Kandidaten für meine Kunden zu kommen und habe dann Anfang 2015 gesagt „das kann es einfach nicht sein“. Wir fischen alle im gleichen Kandidatenpool, gleichzeitig wächst der Fachkräftemangel, der War for Talents wird immer intensiver, da muss doch eine andere Lösung her. Dann hast du gerade einen sehr relevanten Punkt angesprochen, das, was in der E-Commerce-Branche, also im Internethandel, funktioniert, muss doch auch im HR-Wesen funktionieren.

Wir kennen das ja alle, dass wir passende Werbung zu Produkten, zu Flügen, zu Artikeln in unserem Onlinealltag sehen und die Geschichte haben wir quasi einfach umgemünzt auf das Personalwesen. Also, dass letztendlich Kandidaten sich im Alltag verhalten so wie sie es immer tun, einen Fachartikel lesen, sich mit Coronazahlen befassen, eine Reise buchen, wie auch immer und da, wo Kandidaten eben sowieso schon im Alltag verkehren online, dort stoßen oder stolpern sie dann eben über passende Stellenanzeigen, in dem wir sie per bezahlter Werbung oder per Ad Placement sozusagen darauf aufmerksam machen. Zu deiner Frage, es ist natürlich immer eine große Frage, wo HR das Budget hin investiert, um eben Kandidaten akquirieren zu können für die offenen Positionen, aber in gewissen Bereichen ist es ja einfach notwendig oder müssen Personaler einfach rechts und links schauen, nach neueren Methoden, nach anderen Ansätzen, weil es einfach die klassische Stellenausschreibung nicht mehr tut. Da ist durchaus eine Offenheit, etwas anderes auszuprobieren.

Dominik Josten: Okay. Du hast ja auch schon angesprochen, der Recruitingmarkt verändert sich gerade in manchen Bereichen, in manchen Branchen, es ist sehr ungünstig für Unternehmen, es gibt viel mehr ausgeschriebene Stellen als Kandidaten oder als Leute, die bereit sind, zu suchen. Von daher gilt es auch die nicht so aktiv Suchenden zu erreichen, zu überzeugen und da gibt es das klassische Headhunting, die Ansprache über soziale Netzwerke, aber das ist natürlich auch sehr zeitaufwendig und deswegen liegt nach wie vor der Fokus auf klassische Stellenanzeigen, die immer noch wichtig sind und bevor wir da jetzt im Detail einsteigen, damit man das ein bisschen abschätzen kann, was für so eine Datenbasis in eure Studienerkenntnisse eingeflossen ist.

Worum geht’s in der Recruiting Studie?

Dominik Josten: Erzähle uns doch mal etwas dazu, woher kamen die Daten, was für ein Volumen müssen wir uns hier vorstellen, was habt ihr da ausgewertet? Sodass man es ein bisschen einordnen kann, bevor wir etwas detaillierter in die Erkenntnisse einsteigen.

Matilda von Gierke: Also letztendlich sind wir, wie du schon richtig gesagt hast, 6 ½ Jahre ca. alt, die Zalvus GmbH und haben einfach wahnsinnig viele Daten gesammelt. Für jede einzelne Kampagne, die wir erstellen, also für jedes Unternehmen, das eine spezifische Position an einem spezifischen Standort für ein spezifisches Team sucht, werden wahnsinnig viele Daten über das Verhalten geeigneter Kandidaten generiert und normalerweise beraten wir Unternehmen dann „wir merken, dass ihre spezifische Zielgruppe bei dem und dem Thema abspringt oder dass das Thema zieht, dass das Thema überzeugt, also einen Kandidaten überzeugt, Kontakt aufzunehmen“ und anstatt das für eine spezifische Position auszuwerten, haben wir das Ganze im Rahmen unserer HR-Digitalstudie einfach etwas größer analysiert, d. h. wir haben das Verhalten oder die digitale Verhaltensanalyse von 150.000 Fach- und Führungskräften ausgewertet, die über unterschiedliche Sourcingmethoden akquiriert wurden für verschiedenste Unternehmen. Von klein bis groß. Vom Start-Up hoch bis zum DAX-Konzern für über 150 Vakanzen aus unterschiedlichen Branchen und haben daraus eben sieben Kernerkenntnisse gewonnen, die im Rahmen dieser Studie zusammengefasst werden.

Dominik Josten: Wir werden ja auch den Link zur Studie sicherlich in den Shownotes auch anbieten, sodass man da nochmal nachlesen kann, dann wird vielleicht dem ein oder anderen auffallen, dass diese große Studie von 2019 stammt, nichtsdestotrotz würdest du sagen, es hat sich seitdem was geändert? Hat sich der Effekt verstärkt? Das sind ja so viele Daten, ist halt die Frage, ob sich das in zwei Jahren plötzlich komplett umdreht, aber wie sind da eure Erfahrungen? Gibt es da eine Folgestudie?

Matilda von Gierke: Ja vor allem in zwei sehr besonderen Jahren, weil wir ja eine klitzekleine Pandemie zwischendurch hatten, was ja auch den HR-Markt ein bisschen durcheinander gewirbelt hat. Um es kurz vorwegzunehmen, alle Kernerkenntnisse der HR-Digitalstudie aus 2019 treffen heute genauso zu und wie du auch schon gerade richtigerweise gesagt hast, Corona hat da als Beschleuniger bestehender Trends fungiert. Also z. B. den Wandel von offline zu online, bei der fortschreitenden Automatisierung, bei dem was Kandidaten suchen oder fordern, Stichwort Homeoffice, working from home, remote usw. In ein paar Berufsgruppen hat sich der Markt auch ein bisschen entspannt aus Arbeitgebersicht, vor allem im blue collar-Bereich, zumindest zwischendurch gab es auch ein Überangebot an Kandidaten und wir fokussieren uns ja in unserer Studie insbesondere auf das Verhalten von passiv suchenden Kandidaten und sind grundsätzlich eher in Bereichen unterwegs, wo es sehr nischig, kompliziert ist, wo es einfach nicht so einfach ist, Kandidaten zu gewinnen. Da ist der Markt eher angespannter geworden. Die Tipps, die Tricks, die Handlungsempfehlungen, die wir im Rahmen der Studie aufgeführt haben, die treffen auch alle heute zu. Ich würde sogar sagen, dass erst recht jetzt die dort aufgeführten Punkte embraced und gelebt werden müssen von Unternehmen, weil die, die es nicht tun, werden ganz, ganz schnell / haben vielleicht auch sogar schon negative Effekte spüren und müssen sich aufstellen im Recruiting, sodass sie eben auch die Chance haben, die qualifizierten Kandidaten für sich zu gewinnen.

Dominik Josten: Wunderbar, dann haben wir doch die wunderbare Überleitung, um jetzt tatsächlich ein bisschen tiefer einzusteigen.

Was sind passiv Suchende?

Dominik Josten: Vielleicht mal ins erste Schlagwort, du hattest es eben schon erwähnt, „passiv Suchende“. Wer ist damit eigentlich gemeint und was sind eure Erkenntnisse dazu? Was ist das Besondere an den passiv Suchenden?

Matilda von Gierke: Also passiv Suchende, latent Suchende, sind ja letztendlich die Personen, die sagen „Ohren und Augen sind offen, aber ich werde jetzt nicht meine rare Freizeit der Jobsuche widmen“. Also wenn es nicht absolut brennt, dann verbringt man seine Zeit ja nicht auf den Jobbörsen oder auf den Xings und LinkedIns dieser Welt, man ist in seinem Job und widmet seine Freizeit lieber einem anderen Thema. Wir beobachten wahnsinnig oft, dass Unternehmen aktiv überlegen und tolle Maßnahmen haben, um aktiv suchende Kandidaten zu erreichen, tolle Stellenausschreibungen oder tolle Karriereseiten, Homepages, dass sie Maßnahmen, wie die aktiv Suchenden intern im Prozess verwurstet werden usw. Aber bei schwierig zu besetzenden Positionen oder auf umkämpften Bewerbermärkten ist es wesentlich nachhaltiger, passiv Suchende zu akquirieren, weil es nicht genug aktiv Suchende gibt. Da muss sich ja umgeschaut werden, wie ich Personen, die eigentlich in Lohn und Brot sind, für mich akquirieren kann. Es ist einfach so, dass qualifizierte Fachkräfte heute wählen können, wo und für wen und zu welchen Bedingungen sie arbeiten. Ich glaube der Satz, den ich gerne sage, dass ein Unternehmen sich heute beim Kandidaten bewerben muss und nicht anders herum, das fasst es eigentlich ganz gut zusammen. Das Schöne ist, dass gleichzeitig auch aktiv Suchende von all diesen Maßnahmen profitieren können. Es gibt keine Maßnahmen, die passiv Suchende ansprechen, wo aber aktiv Suchende sozusagen drunter leiden, sondern die profitieren gleichermaßen davon.

Dominik Josten: Den Spruch haben wir witziger Weise auch bei Stellenausschreibungen verwendet „wir bewerben uns bei Ihnen“ und es ist auch etwas Wahres dran. Man kann sagen, der passiv Suchende, der muss vielleicht erstmal überzeugt werden, überhaupt zu wechseln, der ist eigentlich schon zufrieden und vielleicht nicht 100 Prozent, sonst würde man ja nicht hier und da mal offen sein, aber dem muss man eigentlich erstmal einen Grund geben, zu sagen „bei uns ist es so viel cooler und was du hier alles tolles machen kannst“.

Matilda von Gierke: Definitiv. Wir haben oft Kandidaten im Prozess, die sagen „hätten Sie mich heute Morgen gefragt, ich habe überhaupt nicht mit dem Gedanken gespielt, mich zu verändern, aber jetzt habe ich diese Werbung gesehen und die spricht mich einfach inhaltlich an und da sind ja schon so ein paar Punkte, die sich differenzieren von meiner aktuellen Rolle, da gehe ich mal weiter, das höre ich mir mal an“. Das ist ja genau das, was wir erzeugen wollen. Was aber absolut kriegsentscheidend ist und da gehen wir gleich nochmal drauf ein, nehme ich an, wenn wir über die Studienerkenntnisse sprechen, ist das Thema Alleinstellungsmerkmale. Wenn ich die copy&paste-gleiche Stelle gegenüber anbiete, das funktioniert natürlich nicht in der Überzeugung.

Was gehört in eine Stellenanzeige

Dominik Josten: Du lieferst mir quasi das perfekte Stichwort, weil das wäre jetzt genau die Frage „was muss eigentlich in so eine Stellenanzeige rein? Was für Informationen? Was für Blöcke?“. Ich erlebe oft, dass viele Unternehmen gefühlt mehr schreiben, was sie selber über sich gerne lesen wollen würden, als das, was den Kandidaten wirklich interessiert und das ist auch ein allgemeines Marketingproblem häufig, denkt auch mal daran, was der andere gerne wissen will, nicht was ihr gerne sagen würdet über euer Produkt oder eben die Stellenanzeige. Was gehört denn da eigentlich so rein? Gibt es da aus eurer Sicht oder aus eurer Erkenntnis ein festes Set und jetzt ignorieren wir mal das Offensichtliche, das irgendwo drin vorkommen muss, aber was für Informationen sind das und du hast es schon angesprochen, „one size fits all“ passt hier nicht so richtig, also worin unterscheidet sich vielleicht auch der Informationsbedarf der Kandidaten je nach Tätigkeit, Fachbereich oder wonach kann man da vielleicht Grenzen ziehen? Was ist da eure Erkenntnis?

Matilda von Gierke: Also was wir durch ein sehr umfangreiches Verhaltenstracking auf Inseraten messen konnten, ist, dass unterschiedliche Zielgruppen sich für unterschiedliche Informationen auf Stellenausschreibung interessieren. Deswegen stelle ich grundsätzlich die klassische Stellenausschreibung infrage. Oben ist die Beschreibung des Unternehmens, ein riesen Block geht Richtung Aufgaben, ein riesen Block geht Richtung Qualifikation und unten wird noch beschrieben, wie ich Interesse bekunden kann. Aber wir haben deutlich gemessen, dass wenn ich z. B. Vertriebler anspreche, ich ganz andere Informationen aufführen sollte, als wenn ich ITler anspreche oder wenn ich jemandem aus dem Marketing ansprechen möchte. Das heißt, wie du schon gesagt hast „one size fits all“, das ignorieren wir mal oder das ist passé, sondern es geht darum, zielgruppenspezifisch die Inhalte aufzubauen. Grundsätzlich haben wir gemessen, dass 75 Prozent der Jobdetails auf einer Stellenausschreibung völlig irrelevant sind, liest kein Mensch. Aber die zwei bis drei Themenfelder, die gelesen werden, die müssen eben sitzen oder da muss man sich als Unternehmen bewusst sein, die werden verglichen mit den Details, die ich gerade in meiner aktuellen Rolle habe, Stichwort Alleinstellungsmerkmal. Da muss ein Unterschied oder ein Wechselgrund präsentiert werden. Wir haben über alle Zielgruppen hinweg, wir haben im Rahmen unserer Studie ITler, Vertriebler, Ingenieure, Administration und Co. verglichen, da haben wir gemessen, dass grundsätzlich am meisten das Thema Qualifikation geklickt wird oder das Thema Anforderungen, also dass Kandidaten sozusagen wissen möchten „was muss ich mitbringen, um dieser Rolle gerecht zu werden?“.

Dominik Josten: Also noch vor den Aufgaben sozusagen? Also erstmal eine Art Pre-Check „ist das etwas für mich, bevor ich mir die Mühe mache, die Aufgaben zu lesen?“.

Matilda von Gierke: Richtig. 69 Prozent von Personen auf einer Stellenausschreibung möchten erstmal nur ihre Eignung überprüfen. Da ist keine Wechselmotivation da, kein Wechselinteresse, einfach nur „wenn ich wollen würde, könnte ich?“, das möchte ein Kandidat beantwortet bekommen. Wir haben aber z. B. auch gemessen, dass es bei bestimmten Zielgruppen nicht so ein wichtiger Teil ist, Beispiel IT und Entwicklung. Da haben wir gemessen, dass die Anforderung oder die Qualifikation verhältnismäßig unwichtig ist. Warum? Weil bereits im Aufgabenspektrum abgelesen werden kann, was ich an Qualifikation mitbringen muss als Kandidat. Beispiel: Ich bin Java-Script-Entwickler und lese, dass ein Unternehmen einen Java-Script-Entwickler sucht, da weiß ich schon anhand des Titels, was ich mitbringen muss an Qualifikation, um der Rolle gerecht zu werden. Was viel interessanter ist, z. B. haben wir gemessen, dass diese Zielgruppe überdurchschnittlich auf das Unternehmen klickt. Wofür steht das Unternehmen? Was ist die Vision des Unternehmens oder die Mission des Unternehmens? Die viele Zeit hinter dem Bildschirm, welchem Unternehmen widme ich diese? Was außerdem super wichtig für diese Zielgruppe ist, ist das Thema Standort.

Es war in der Pre-Covid-Era sozusagen so, dass der Arbeitsweg nicht weit war oder, dass der Job nicht mit einem Umzug verbunden ist und spätestens mit Corona ist das Thema Homeoffice, remote, working from home und Co. viel, viel wichtiger geworden. Oder wenn man sich das im Vergleich anguckt mit Vertrieblern. Wenn ich eine Stellenausschreibung ausschreibe für Personen im Sales, ist es wahnsinnig wichtig, dass ich auf die Vergütung eingehe. Wie ist mein Provisionsmodell, mein fix / variabler Split, wo kann ich mich gehaltlich hin entwickeln, wie ist da die Aufteilung? Das ist ein Thema, das wahnsinnig interessant ist für Vertriebler und das ist oftmals eine Information, die entweder komplett fehlt oder, wenn du mich fragst, durch Floskeln gecovert wird, wie „überdurchschnittliches, marktgerechtes, attraktives Gehalt“ und das ist gleich null. Das steht in jeder Ausschreibung, aber dass ein Verständnis geschaffen wird, wie diese Vergütung aufgeteilt ist und was, in welcher Hausnummer oder in welchem Gehaltsrahmen ich mich sozusagen befinde.

Das Missverständnis Vergütungsinformation

Dominik Josten: Vergütung ist ja in der Studie das zweitbeliebteste, direkt nach der Qualifikation, d. h. eigentlich da schon ein riesiges Missmatch, zwei Drittel der Kandidaten wollen das eigentlich wissen, aber gefühlt ein Prozent der Stellenausschreibungen sagen es wirklich. Lageristen vielleicht, aber ich selber habe es noch nie erlebt, dass in einer Stellenbeschreibung auch ein Gehalt stand.

Matilda von Gierke: Wir haben grundsätzlich eine 19 Prozent höhere Konvertierungsrate gemessen bei Nennung eines Gehalts. Da kriegt der Durchschnittsdeutsche erstmal Schnappatmung und denkt sich „Hilfe, Transparenz, man spricht nicht über Geld“ und auch wir nutzen intern die Zalvus-Methode, um Kandidaten für uns intern zu hiren, wir sind ja auch gerade sehr stark am Wachsen und ich möchte auch nicht auf die Kommazahl preisgeben, wer was verdient, darum geht es auch nicht. Es geht um das gedankliche Abnicken kandidatenseitig. Wir haben oft Kandidaten später im Gespräch, die wissen gar nicht mehr, was da stand, aber dieses „ungefähr in dieser Spanne befinde ich mich“ und man muss auch nicht auf die Kommazahl eine Zahl nennen zur Vergütung, sondern das kann auch eine Spanne sein. Wir haben teilweise Stellenausschreibungen, die haben eine Gehaltsspanne über 50k genannt, was total unaussagekräftig ist, weil dann kann ich auch auf einen Gehaltsreporter gucken, dass dieser Java-Script-Entwickler ungefähr sich gehaltlich in dieser Spanne befindet oder es kann eine Angabe sein „ab so und so viel“ oder „bis so und so viel“, aber über alle Zielgruppen hinweg ist das am zweithäufigsten geklickte Thema auf einer Stellenausschreibung und bei manchen Zielgruppen sogar noch wichtiger, z. B. bei den Vertrieblern, was auch niemanden groß überrascht und bei manchen Zielgruppen auch weniger, aber das ist z. B. ein Punkt, wo man definitiv drüber nachdenken sollte. Ich finde 19 Prozent ist eine ganze Menge.

Dominik Josten: Das ist ein ziemlich großer Sprung. Das Meiste kann man doch nachvollziehen. Jobs, die viel an einem Standort sind, die interessieren sich logischerweise auch nachvollziehbarerweise mehr dafür als jetzt die, die durch die Gegend reisen wie ein Vertriebler, wo man sich denkt „wenn er erfolgreich ist, ist er nicht die ganze Zeit im eigenen Büro, sondern beim Kunden“ und dann interessiert ihn das vielleicht auch weniger. Ich glaube es ist wirklich spannend, kann man nur empfehlen da nochmal reinzugucken, weil z. B. das Unternehmen, womit ja fast alle anfangen, interessiert gerade auch nur ein Drittel. Das ist eher der Hygienefaktor zum Glück, wenn man schon überzeugt ist, guckt man sich vielleicht noch näher das Unternehmen an, aber wahrscheinlich muss man da einfach ehrlich sein als Unternehmen und wenn man jetzt nicht gerade VW oder Google ist, sagt das den allermeisten sowieso nichts.

Matilda von Gierke: Wichtig ist einfach, dass man versteht, was möchte meine Zielgruppe lesen, was interessiert meine Zielgruppe und dass die Informationen in der richtigen Reihenfolge auf der Stellenausschreibung aufgeführt werden und eben weg von diesem „wir haben hier eine Standardvorlage, die wir seit 1900 immer nutzen und da hacken wir unsere Informationen ein“, sondern dass das zielgruppenspezifisch aufgebaut wird.

Dominik Josten: Okay. Ich glaube das sind schon wichtige Erkenntnisse. An der Stelle kann ich eine kleine Anekdote, was so Formulierungen und so angeht, weil das hast du ja gerade auch erwähnt, wir haben selber auch mal als wir Trainees gesucht haben mit den Stellen experimentiert und je nachdem, ob das jetzt Traineeprogramm IT-Consultant oder HR-Consultant mit IT-Schwerpunkt oder HR-Consultant-Trainee war, konnte man wirklich die Nadel sehen, wie sie von „3 von 4 sind Männer, die sich bewerben“ oder genau umgekehrt „3 von 4 sind Frauen, die sich bewerben“, es ist Wahnsinn, wie viel so ein bisschen Formulierung und Details letztendlich für einen Unterschied machen. Es lohnt sich wirklich sich da auseinanderzusetzen und nicht das erstbeste, was einem einfällt oder noch schlimmer irgendwelche internen Stellenbeschreibungen, die aus einem internen Laufbahnmodell stammen, aber im Prinzip für Externe völlig unaussagekräftig sind als Jobbeschreibung zu verwenden.

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Wie erreicht man seine Zielgruppe?

Dominik Josten: Kommen wir vielleicht mal zum nächsten Thema, jetzt haben wir schon gesagt, was drin stehen soll, jetzt ist die Frage „wer liest es? Wo lesen sie es?“. Da ist mein Eindruck: Die meisten Personaler gehen nach wie vor davon aus, dass sich doch kein ernsthafter Bewerber mal eben in der U-Bahn für eine Stelle bewirbt, die wirklich interessant ist. Das Bewerben, weiß ich nicht, ob ihr da Erkenntnisse habt, aber Beschäftigen doch auf jeden Fall, oder? Wie sehen eure Daten aus? Wird mobile recruiting überbewertet oder sind alle nur „blind“ in der Wahrnehmung der Realität?

Matilda von Gierke: Überbewertet im Gegenteil, der Anteil an mobilen Nutzern steigt stetig. Bei uns ist es so, dass 84 Prozent (Tendenz steigend) aller Inseratbesucher mobile Endgeräte nutzen, um unsere Stellenausschreibung aufzurufen und auch nochmal weitere vom Tablet. Was ja nur nochmal unterstützt, dass mobile Landingpages diese klassische, starre Ausschreibung mit der eben erwähnten Struktur ersetzt haben. Wir kämpfen ja grundsätzlich mit einer sinkenden Aufmerksamkeitsspanne. Wir haben kandidatenseitig eine veränderte Erwartungshaltung, was die Darstellung von Inhalten anbelangt, gespürt. Ich habe neulich gelernt, dass die Aufmerksamkeitsspanne einer Person deutlich kürzer ist als die eines Goldfisches, d. h., dass man einfach eine sehr kurze Spanne hat und ein sehr verhältnismäßig kleines Feld hat auf einem mobilen Endgerät um Kandidaten zu überzeugen und um diese Wechselintention bei passiv Suchenden, bei latent Suchenden zu erzeugen.

Wenn ich jetzt weiß, dass Kandidaten hauptsächlich mobile Endgeräte nutzen, um meine Stellenausschreibung aufzurufen, dass ich z. B. kurze Texte nutzen sollte, kurze Wortgruppen, bullet points. Keiner braucht Volltextsätze. Wenn ich am Handy bin und ein bullet point den kompletten Bildschirm füllt, dann habe ich schon keine Lust mehr. Was außerdem wichtig ist, dass ich die Ladezeiten optimiere für die Erreichbarkeit aus mobilen Netzen. Was ich z. B. gerne als Tipp gebe, wenn ich jetzt eine S-Bahn-/U-Bahn-Stammstrecke habe oder eine gewisse Autobahn habe, wo ich weiß, dass viele Kandidaten, die für mich interessant sind, oft unterwegs sind, dass ich die Stellenausschreibung vielleicht mal unterwegs von meinem eigenen mobilen Endgerät lade, weil wenn die Ladezeit zu lang ist, resultiert das sofort in eine Absprungrate, weil die Aufmerksamkeitsspanne so kurz ist.

Dominik Josten: Also für Leute, die SAP-Berater suchen, einfach mal in Walldorf in die Schlange stellen, in den Stau bei der Abfahrt vor SAP und mal gucken, wie da das Netz so ist.

Matilda von Gierke: Genau.

Dominik Josten: Ich muss kurz etwas nachfragen, du sagtest gerade den Begriff „mobile Landingpage“, kannst du näher sagen, was ihr damit meint? Auf jeden Fall wahrscheinlich nicht die gute alte, fertig gelayoutete PDF, die dann Mäusekino auf dem Laptop verursacht.

Matilda von Gierke: Genau, also der Vorteil einer Landingpage ist, dass wir im Hintergrund die Aktivität von Personen messen können, d. h. bei uns, anstatt dass der Aufbau ist wie vorhin erwähnt, Unternehmen, Aufgaben, Qualifikation und Bewerbungsprozess, haben wir einfach ganz viele unterschiedliche Reiter und ein Kandidat klickt nur auf den Reiter oder auf die Reiter, die ihn interessieren. Da können wir im Hintergrund genau messen „haben die Personen jetzt geklickt auf Vergütung oder auf den Standort oder auf die Perspektiven?“. Das ermöglicht uns genau Optimierungen daraus herleiten zu können. Wenn ich z. B. merke, die Zielgruppe springt überdurchschnittlich ab beim Thema „Perspektiven“, dann kann ich ja inhaltlich dagegen steuern, dass ich das noch weiter ausführe, dass ich einen Benchmark mache. Unsere Berater schauen auf vergleichbaren Stellenausschreibungen oder aufgrund unserer Erfahrungswerte geben sie Tipps, was man z. B. noch anpassen könnte, wenn man eine Absprungrate bei einem gewissen Thema misst. Das ermöglicht natürlich auch diese flexible Anordnung unterschiedlicher Informationen. Der Fokus bei meiner Aussage eben war eher, dass die mobile optimiert ist.

Dominik Josten: Also schnell, gut lesbar?

Matilda von Gierke: Richtig.

Dominik Josten: Man erlebt teilweise immer noch diese PDF-Geschichten, dass man auch von einer Stellenbörse abspringt und dann eine PDF liest, die dann in Schriftgröße 12 ganz offensichtlich für den 24-Zoll-Bildschirm im Recruiter-Büro gestaltet wurde.

Matilda von Gierke: Was dann natürlich auch wichtig ist oder wo man sich bewusst sein muss, ich male immer gerne das Bild eines Kandidaten, der an der Tankstelle oder in einem Supermarkt in der Schlange steht, am Handy ist, wenn der sich dann über eine E-Mail-Adresse bewerben soll oder einfach nur ein PDF-Dokument hat, auf dem er landet, das macht er ja nicht, wenn er unterwegs ist am Handy. Er hat seinen Lebenslauf nicht zur Hand, der hat die Informationen nicht, der tippt ja auch keine hochglanzfolierte „sehr geehrte Herr / Frau XY“-Email am Handy, als dass da einfach die Absprungrate viel zu hoch ist.

Dominik Josten: Ich denke auch niemand macht das mal eben in der Tankstellenschlange, aber ich bin manchmal selber überrascht, wie viele Leute es dann gibt, die nicht mehr unbedingt privat noch einen Laptop oder einen Computer haben, sondern dann nur noch mit Tablet oder Telefon sich durchaus darüber bewerben. Natürlich nicht in der U-Bahn, schon zu Hause, aber...

Matilda von Gierke: Gibt es aber auch. Deswegen ist es so wichtig, dass die Kontaktaufnahme so einfach gemacht wird. Einfach, dass die user experience kandidatenseitig sitzt.

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Wieso niedrige Hürden wichtig sind

Dominik Josten: Ich glaube das ist ein gutes Stichwort auch, die einfache Bewerbung dann. Wenn wir jetzt mal davon ausgehen, man hat bisher alles richtig gemacht, eine tolle Stellenanzeige in kleinen Häppchen mobil ausgeliefert und jetzt sagt der Kandidat „blöd, dass ich jetzt noch nach Hause fahren muss, ich will mich sofort bewerben“, aber ich glaube grundsätzlich muss die Hürde so gering wie möglich sein, oder? Was ist denn dann eine geringe Hürde aus Bewerbersicht? Was wünscht sich denn der Bewerber? Wahrscheinlich nicht das dreiseitige Formular, wo er jede Station seines Lebenslaufs nochmal einzeln abtippen muss, oder?

Matilda von Gierke: Ne, das nicht. Es ist einfach so, wenn ein Kandidat sich vorstellen kann Interesse zu bekunden, muss die Kontaktaufnahme so leicht wie möglich gemacht werden. Wie kann es sein, dass heutzutage noch manuell mein Lebenslauf eingetippt werden muss oder ich irgendwelche Bewerber-Accounts erstellen muss? Ich bin Kandidat, bin passiv Suchender im Supermarkt an der Kasse, das mache ich da nicht. Wir haben eine achtmal höhere Konvertierungsrate durch One-Click-Application-Verfahren gemessen. Das kann eine Anbindung an ein Xing, an ein LinkedIn, an ein Facebook etc., sodass Kandidaten Daten schnell importieren können. Das ist z. B. so ein Quick-Fix oder eine Maßnahme, auf die schon einige Unternehmen setzen, aber erschreckend viele eben auch noch nicht. Was auch wichtig ist, dass nicht nur ein Kontaktweg angeboten wird.

Unterschiedliche Zielgruppen haben unterschiedliche Kanäle, die sie favorisieren für die Kontaktaufnahme. Wir haben gemessen, dass immer noch die E-Mail gewinnt. Wenn ein Kandidat Interesse bekundet hat, möchte er im ersten Schritt per Email kontaktiert werden, aber es gibt auch andere Kanäle, die sehr an Relevanz gewinnen, z. B. – unsere Studie ist aus dem deutschsprachigen Raum, das wäre vielleicht im Ausland anders – im deutschsprachigen Raum gewinnt der Kanal WhatsApp deutlich an Signifikanz oder an Relevanz. Da geht es nicht um das Interview, das über WhatsApp geführt werden sollte, auch nicht über die Übermittlung von Daten, das ist ja aus Datenschutzperspektive schwierig, aber für dieses erste „hallo, mich gibt es, ich würde mir das mal anhören“ ist das durchaus ein super interessanter Kanal. Wir haben sehr viele Kandidaten, die sagen „für die Terminfindung gerne über WhatsApp“, weil es einfach ein Kanal ist, den ich im Alltag nutze, da bin ich zu Hause. Wichtig ist, dass mehrere Wege angeboten werden und dass generell die Hürde reduziert wird, in dem z. B. vollständige Bewerbungsunterlagen erst später im Prozess angefordert werden, dass ein Kandidat erstmal Interesse bekunden oder Kontakt aufnehmen kann und durch die digitale Vorselektion, durch Online-Formulare, durch Chat-Bots und Co. ist es einfacher denn je, dass Unternehmen nicht unbedingt einen Mehraufwand dadurch haben. Da kommt häufig als Reaktion „Hilfe, da bewirbt sich ja jeder, dann bin ich ja hauptberuflich am vorselektieren“, das lässt sich durch digitale, technische Stützen sehr gut meistern heutzutage.

WhatsApp im Recruiting?

Dominik Josten: Ja, wobei ich an der Stelle auch noch kurz ergänzen würde, natürlich ist das Mehraufwand, aber wenn man gleichzeitig klagt, dass man keine guten Kandidaten findet und sich dann beschwert, dass man vielleicht ein bisschen Aufwand darein stecken muss, dann sollte man vielleicht mal kritisch seine Einstellung hinterfragen.

Matilda von Gierke: Wenn der Pain groß genug ist, muss man sich umschauen.

Dominik Josten: Du hältst es schon auch für eine gute Idee, zu sagen, wir erlauben erstmal den informellen Kontakt, man muss nicht gleich sich bewerben mit Lebenslauf und Anschreiben, sondern erstmal „hallo“ sagen quasi?

Matilda von Gierke: Was ja das Hauptthema ist, man muss ja erstmal überhaupt den Kandidaten konvertieren, dass man erstmal weiß „das ist Herr Müller“ und nicht nur jemand, der klickt und guckt. Um diese Konvertierung zu erzielen, eignet es sich, Kandidaten diese erste Kontaktaufnahme zu ermöglichen und alles andere kann folgen. Ich möchte auch niemanden einstellen für Zalvus, wo ich keinen Lebenslauf gesehen habe, den ich nicht ausführlich gesprochen habe, der nicht meine umfangreichst konzipierten Assessmentcenter besteht. Man muss differenzieren zwischen der ersten initialen Kontaktaufnahme und dem Bewerbungsprozess selber.

Dominik Josten: Die Einstiegshürde verringern, man kann es sich wahrscheinlich wie einen Laden vorstellen, wenn man Eintritt nehmen würde oder erstmal sechs Etagen Treppen steigen muss, dann kommt wahrscheinlich nur noch ein Drittel der Leute in den Laden. Wenn man ebenerdig reingleiten kann und direkt sieht, was man will, dann ist man da offener. Ich gucke gerade mit einem Auge auf die Uhr und stelle fest, wir quatschen schon wieder relativ lange, aber es ist auch sehr spannend. Zum Thema Zeit ist mir noch etwas eingefallen, was ich dich fragen wollte und zwar:

Gibt es die beste Zeit für neue Ausschreibungen?

Dominik Josten: Immer dann, wenn so datengetriebene Analysen gemacht werden, kommen ja ganz oft so pauschale Erkenntnisse zurück „eBay-Einstellungen enden am besten sonntagsabends, da geben die Leute am meisten Geld aus“ oder „Newsletter werden dienstagsvormittags verschickt“. Wie ist das im Recruiting? Da gibt es ja auch immer so Gerüchte, vermeintliche Weisheiten, wann jetzt die Stelle ausgeschrieben werden sollte, was ist eure Erkenntnis? Gibt es da klare, richtige Zeitpunkte oder ist das Humbug?

Matilda von Gierke: Da muss man ganz klar differenzieren zwischen aktiv und passiv Suchenden. Die Aktivität aktiv Suchender haben wir am höchsten gemessen am Montagmorgen, surprise, dann wenn man sich denkt „noch eine Woche in diesem Job, mein Chef ist doof, da bemühe ich mich aktiv um Veränderung“, die Aktivität nimmt ab über die Woche und ist am Wochenende am geringsten. Heißt: Die Zeiträume für die Direktansprache oder active sourcing ist dienstags und donnerstags von 09-12 und 16-19 Uhr, also während der klassischen Arbeitszeiten am besten. Aber, man kann eben, um latent suchende Personen anzugehen, auch die privatverbrachte Onlinezeit wunderbar nutzen, um Kandidaten anzusprechen. Wir haben z. B. einen 76-prozentigen Anstieg von Bewerbungseingängen am Wochenende bei der digitalen Ansprache durch Onlineanzeigen, also durch die Platzierung von Werbung, gemessen. Unsere Kampagnen starten immer freitags am frühen Abend oder am späten Nachmittag und laufen dann übers Wochenende, weil wir da einfach eine deutlich höhere Onlineaktivität messen. Da sind Personen eben nicht online mit der Intention „jetzt suche ich mir einen neuen Job“, sondern sind online und sind – wie du gerade sagtest – auf eBay oder sind „mein Kind hat rote Punkte, was mache ich jetzt“ am googlen oder lesen mal einen Fachartikel oder schauen, was in der Politik los ist, und da holen wir Personen eben in der privatgenutzten Zeit online ab und dann haben wir auch noch gemessen, dass die Onlineaktivität zu Ferienzeiten nochmal um 19 Prozent ansteigt im Vergleich zum Jahresdurchschnitt und was natürlich auch ein hoch interessantes Thema ist, ist das Thema Jahreswechsel, der ja jetzt auch kürzlich ansteht. Über Weihnachten sind wir immer im Stress, haben wir immer sehr viel zu tun, unsere Bestandskunden warten schon immer drauf, weil auch da haben wir nochmal eine 33-prozentig höhere Aktivität gemessen, was ja auch vollkommen klar ist. Die Läden haben zu, die Unternehmen haben zu, man sitzt zu Hause, man ist viel online unterwegs, wir haben sogar am 24.12. eine traurig hohe Aktivität und vor allem zwischen den Jahren, wo man Zeit hat und zur Ruhe kommt...

Dominik Josten: ...und feststellt „es ist jetzt echt lang genug gewesen“.

Matilda von Gierke: Genau und da sind Kandidaten einfach wahnsinnig empfänglich dafür, einfach mal drüber nachzudenken, einen anderen Job anzutreten, als dass die Zeit da sehr, sehr wertvoll ist aus Recruitingsicht.

Dominik Josten: Eigentlich ja auch total logisch nach den gleichen Kriterien, nach denen auch alle anderen Produkte Werbung schalten oder so etwas. Vor ein paar Jahren, ging ja auch durch die Medien, als gefühlt jeder zweite Super Bowl-Spot von Parship belegt war, weil man festgestellt hat, dass offenbar vor allem Single-Männer mitten in der Nacht Football.

Matilda von Gierke: Das ist die gleiche Logik, also verstehen, wo die Zielgruppe online ist und wann vor allem und dort eben mit den richtigen Inhalten sie überzeugen oder konvertieren.

Dominik Josten: Ich glaube damit kommen wir fast zum Fazit. Wenn man sich das so anhört, ich kann jedem nur empfehlen nochmal in die Studie reinzugucken, da sind noch viele andere interessante Punkte drin.

Fazit & Schlusswort

Dominik Josten: Aber was man ein bisschen als Fazit mitnehmen kann, es ist gar nicht das große Hexenwerk, wie man jetzt eine Stellenanzeige formuliert, man muss keinen Oscar-prämierten Autor einstellen, um das zu formulieren, aber erfolgreiches Recruiting braucht doch heute mehr, vielleicht auch mehr Marketing-Erkenntnisse im HR, oder? Wir stellen ja doch fest, die Logik ist doch sehr ähnlich zu wenn ich ein Produkt, eine Reise oder sonst was verkaufen will. Würdest du das auch so als deine Empfehlung mitgeben an Personaler draußen, wenn sie besser werden wollen?

Matilda von Gierke: Also grundsätzlich unterstütze ich sehr den Einsatz von Performance Marketing im Recruiting, das war ja meine Motivation damals meine Headhunting-Karriere an den Nagel zu hängen und meine eigene Firma zu gründen und das ist auch der Grund, wieso wir die Firma auf fast 50 Personen hochskaliert haben. Wo ich nochmal anknüpfen würde, dass ich grundsätzlich Unternehmen raten würde, dass sie das Silodenken ablegen. Viele haben ja intern tolle Marketingabteilungen, tolle HR-Abteilungen, tolle IT-Abteilungen, dass man ein bisschen von den Logiken her miteinander spricht und vielleicht auch sich ein bisschen was abgucken kann aus der ein oder anderen Abteilung. Ich glaube es ist nicht copy & paste Product Marketing und Marketing im HR-Bereich, ich glaube von der Logik oder vom Ansatz her ist es ähnlich, aber man kann sich da auf jeden Fall sehr viel abschauen. Wichtig ist einfach, dass man versteht und dass man messen kann und das auch tut „wie verhält sich meine Zielgruppe? Woher kommt meine Zielgruppe? Wieso springt meine Zielgruppe ab? Was interessiert sie wirklich?“ und dass man das nicht tut als Organisation, sondern zielgruppenspezifisch, dass ich verstehe, dass unterschiedliche Zielgruppen, die ich erreichen möchte, auch über unterschiedliche Methoden, über unterschiedliches Wording, unterschiedliche Titel usw. angegangen und überzeugt werden.

Grundsätzlich muss man sich ja auch bewusst sein, dass es immer zwei Baustellen gibt. Die eine Baustelle ist „wie erreiche ich überhaupt meine Zielgruppe? Wie sorge ich dafür, dass meine Inhalte gesehen werden von der Zielgruppe?“. Damit ist uns aber noch nicht abschließend geholfen, weil selbst wenn jeder Java-Script-Entwickler der Welt, um bei meinem Beispiel zu bleiben, auf meine Stellenausschreibung klickt, sich aber keiner bewirbt, habe ich ja immer noch das gleiche Problem. D. h. die Konvertierung hinten heraus, das ist ja das eigentlich Spannende, d. h. wie bekomme ich die Zielgruppe überzeugt? Das tue ich eben, indem ich z. B. einige der heute erwähnten Tipps oder Handlungsempfehlungen umsetze oder in der Studie das ein oder andere nachblättere.

Dominik Josten: Und danach immer dran denken: Es braucht dann noch immer einen guten Recruiter, der ein engagiertes Gespräch führt, sonst war das alles wieder umsonst. Das ist aber ein Thema für sich. Matilda, an dieser Stelle ganz herzlichen Dank für deine Erkenntnisse und das Teilen dieser verschiedenen Tipps und wir packen den Link zu eurer Studie auch bei uns in die Shownotes, sodass man das nochmal nachlesen kann. Ich glaube es war ein schönes Schlusswort, schönes Fazit von dir, wenn man sich schon immer wundert, warum irgendwas nicht funktioniert, dann vielleicht doch mal ein bisschen näher auch mit den Zahlen und den Details befassen und nicht nur wundern und nach mehr Budget rufen. Das alleine hilft wahrscheinlich nicht. Matilda, ganz herzlichen Dank, es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende, bis bald mal.

Matilda von Gierke: Danke, ciao.

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