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Vertrauensarbeitszeit ade! Urteile zur Arbeitszeiterfassung - UPDATE 12/22

Viele Unternehmen setzen auf Vertrauensarbeitszeit. Arbeitszeiterfassung erschien überflüssig. Nach Urteilen des EuGH und des BAG ist es damit wohl vorbei.

Stechuhr, Stundenzettel, elektronische Zeiterfassung was sich wie ein Widerspruch der modernen Arbeitswelt anhört, schien schon 2019 dem Europäischen Gerichtshof genau richtig und moderner denn je. Denn in einem Urteil hatte der EuGH seinerzeit entschieden, dass Arbeitgeber in der EU die kompletten Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden dokumentieren müssen. Und nicht nur die Überstunden, wie bisher in Deutschland weit verbreitet. Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft gegen die Deutsche Bank und hat mit diesem Urteil jetzt den Prozess gewonnen.

Vertrauensarbeitszeit auf dem Prüfstand

Was das für die moderne Arbeitswelt in Deutschland bedeuten würde, war lange unklar. Es wurde zwar befürchtet, dass diese Rechtsprechung eine strikte Erfassungspflicht zur Folge haben könnte, doch es gab auch Stimmen, die meinten, dass die deutschen Regeln nicht so vergleichbar wären, dass das spanische Urteil unmittelbare Auswirkungen hätte. Sowohl der deutsche Gesetzgeber als auch die meisten Unternehmen haben erstmal weitergemacht wie zuvor.

Spätestens seit der Krise 2008 hatten viele Unternehmen die Gelegenheit ergriffen und mit meist großem Einverständnis der Mitarbeitenden die vollständige Arbeitszeiterfassung abgeschafft. Oft einhergehend mit der Abgeltung der Überstunden in Form der allgemeinen Vergütung. Sprich keine bezahlten Überstunden mehr, aber auch kein kleinteiliges Erfassen und Überwachen der Arbeitszeit, was früher einen großen Aufwand im Personalwesen und bei den Mitarbeitenden, aber oft auch für die Führungskräfte mit sich brachte. Stattdessen lag es nun in der Verantwortlichkeit der Mitarbeitenden dafür zu sorgen, dass die vereinbarte Arbeitszeit eingehalten wurde. Dies hatte Vor- und Nachteile. Für viele Mitarbeitende bedeutete es mehr Flexibilität. Auch mal früher gehen zu können, um privaten Verpflichtungen nachzukommen oder einfach den Arbeitstag zu entzerren.

Doch nach dem Europäischen Gerichtshof hat im September 2022 auch das deutsche Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass eine systematische Erfassung der Arbeitszeit notwendig ist. Für den EuGH ergibt sich dies aus der Arbeitszeitrichtlinie und der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Nur so könne wirklich kontrolliert werden, ob die zulässige Arbeitszeit überschritten wird. Und für das BAG wiederum aus der Sorgfaltspflicht der Arbeitgeber, interpretiert eben im Lichte des Urteils des EuGH.

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Dies hat das BAG sozusagen „nebenbei“ im Rahmen der Klärung einer ganz anderen Frage festgestellt. Denn in dem Prozess, der im September 2022 hohe Wellen geschlagen hat (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21), ging es eigentlich um das Thema, ob einem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zusteht. Dieses wurde durch das BAG verneint, weil eine Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nur bestehe, wenn es keine gesetzliche Regelung gäbe. Eine solche liege aber durch das EuGH-Urteil vor.

Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21

Unsichere Übergangsphase für Vertrauensarbeitszeit & Co.

Was sollten Unternehmen und Personaler nun konkret beachten? Nun, nach dem BAG-Urteil, mit dem man einer neuen gesetzlichen Regelung zuvorgekommen ist, gingen viele Experten davon aus, dass ab sofort eine Erfassungspflicht bestehe bzw. eigentlich die ganze Zeit bestanden hätte, denn das ist es ja, was das BAG in seiner Entscheidung aussagt.

(UPDATE 12/22) Genau das hat das BAG in seiner schriftlichen Urteilsbegründung Anfang Dezember 22 auch nochmal klargestellt. Es besteht ab sofort eine Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Weitere Regelungen gehen aus dem Urteil jedoch nicht groß hervor. Weder ob es elektronisch sein muss, ob und ggf. wie Kontroll- oder Freigabemechanismen benötigt werden, noch weitere Details, etwa ob Arbeitsstunden ausreichen oder exakte Start- und Endezeiten. Hier ist jetzt eben der Gesetzgeber gefragt.

Und damit ist es schwer zu sagen, was man als Unternehmen jetzt tun sollte. „Ruhe bewahren“ ist wahrscheinlich immer noch eine gute Strategie. Denn ohne klare gesetzliche Regelung dürften in der Übergangszeit zumindest noch keine Strafen drohen. Warten auf den Gesetzgeber ist also weiterhin das Gebot der Stunde.

Dieser muss sich an eine Überarbeitung des deutschen Arbeitsrechtes machen, etwa des Arbeitszeitgesetzes.

Was dabei herumkommt ist schwer zu prognostizieren. Ob etwa eine pauschale Erklärung der Mitarbeitenden, an einem Tag beispielsweise 6 Stunden gearbeitet zu haben, ausreichen wird. Das würde Vertrauensarbeitszeit zwar nicht dem Namen nach, aber vom Prinzip her weitgehend erhalten und nur um einen lästigen Dokumentationsprozess erweitern. Es sind aber natürlich auch strengere Regelungen denkbar, wie exaktes Ein- und Ausstempeln. Wie dies in der Praxis aber etwa für Außendienstler oder Mitarbeitende im Homeoffice aussehen könnte, ist völlig unklar. Nach den Erfahrungen des ebenfalls 2022 überarbeiteten Nachweisgesetzes, was eine Abkehr von digitalen Unterschriften und die Rückkehr zur Papierform mit sich brachte, ist dem aktuellen Gesetzgeber leider vieles zuzutrauen. Sicher ist, das Thema dürfte für viele Personalabteilung in 2023 groß auf der Agenda stehen.

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Eines ist aber klar: Wer aktuell kurz davor steht, Vertrauensarbeitszeit einzuführen und etwa Zeitwirtschaftssysteme komplett abzuschaffen oder Verträge mit Mitarbeitenden zu überarbeiten, sollte diese Pläne wohl lieber aussetzen. Und wer ohnehin Zeiterfassungssysteme im Einsatz hat und diese nur für manche Mitarbeitergruppen nicht nutzt, sollte vielleicht darüber nachdenken, dies vorsorglich schon jetzt zu ändern. Denn auch wenn der Gesetzgeber noch nicht tätig geworden ist: Durch das BAG-Urteil ist absehbar, dass Unternehmen mögliche Rechtsstreitigkeiten verlieren würden, immer mit Verweis auf das BAG-Urteil.

So oder so. Die Zeit von Zeiterfassungssystemen ist wohl doch noch nicht so schnell vorbei, wie sich das viele Unternehmen und Mitarbeitende gewünscht hätten. Ganz im Gegenteil.

Jetzt ist es amtlich: Zeitwirtschaft bleibt Teil auch einer modernen Arbeitswelt!

Kai Göttmann – Sprecher der Geschäftsführung der EMPLEOX GmbH

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